Yamaha XT1200Z Super Téneré



 Fahrbericht Yamaha XT1200Z Super Ténéré

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, S. Frühsammer



Da steht sie nun endlich vor mir – die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré. Lange habe ich auf diesen Test gewartet. Es geht darum, herauszufinden, ob der ungekrönte König der Reiseenduros, die BMW R 1200 GS, eine ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen hat.

Ich laufe um die Maschine, die in der First-Edition-Ausstattung einen massiven Unterschutz, 2 Koffer und einen Scheinwerferschutz beinhaltet. So ist sie für 14750.- Euro zu erwerben. Damit liegt sie preislich knapp unter der GS. Allerdings hat die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré serienmäßig 2 Mappingstufen und eine 3-stufige Traktionskontrolle an Bord.

Werner Schindel von der Fa. Bike und Motorwelt in Monheim (www.bike-motorwelt.de) übergibt mir die Maschine im Komplettoutfit und in Blau. Sie kann dort, wie viele andere Yamahamodelle, Quads und Fahrräder, besichtigt und Probe gefahren werden.

Sie wirkt groß, nicht jedoch so massiv wie eine GS. Der Fahrersitz kann in der Höhe eingestellt werden. So kann ich wählen zwischen einer Sitzhöhe von 845 und 870 mm. Ich beginne mit der hohen Einstellung. Nach einer kurzen Einweisung bewege ich die Yamaha Richtung Heimat. Und ich fühle mich sofort wohl auf der hochbeinigen Enduro.

Alles passt mir ergonomisch. Die offenen Kniewinkel werden sicher weitere Touren ohne die üblichen Dehnübungen zulassen. Der breite Lenker verspricht eine sichere Handhabung der Maschine auch im Gelände. Also geht es nun im Eiltempo heimwärts. Es dämmert und wird herbstlich kühl. Leider kann ich keine Heizgriffe einschalten, da sie schlicht fehlen. Schade.

Die ersten kleinen Sträßlein mit engen Kurvenradien verlangen etwas Nachdruck beim Einlenken. Wellige geflickte Straßenbeläge lassen die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré geradezu unbeeindruckt darüber bügeln.
Schnell bin ich daheim angelangt. Nochmal laufe ich um die Maschine und bin überrascht, dass ein Koloss von immerhin 276 kg fahrfertig (in der First-Edition-Ausstattung) so leicht zu fahren ist.

Enduroqualitäten auf hohem Niveau
Der nächste Tag. Eine gemeinsame Ausfahrt mit Marie-Luise ist angesagt. Sie fährt eine 12er GS, sodass wir unterwegs auch mal tauschen und vergleichen können. Zuerst geht es über Landstraßen zu meiner Endurostrecke. Dort kann ich die Super Ténéré über Kies jagen. Die Traktionskontrolle lässt in der Normalstufe keine Drifts zu. In Stufe 2 kann ich das Hinterrad bedingt zum Ausbrechen zwingen. Ohne Traktionskontrolle geht sie seitlich weg, jedoch sehr kontrolliert und leicht handelbar. Auch beim Fahren im Stehen passt die Ergonomie sehr gut für meine 182 cm Körpergröße. Der breite Lenker lässt auch schwierigere Manöver zu. Der breite Stand auf den Rasten ermöglicht eine sehr gute Führung und Steuerung darüber. So macht es richtig Laune, die Yamaha mit Druck und Schmackes über den Kies zu jagen. Sie bleibt dabei sehr spurtreu. Die weiche Gasannahme macht das Offroadfahren zum Genuss.

Weiter bewegen wir uns, weil es ja so viel Spaß macht, die nächsten Kilometer über Schotterwege und durch einige Kiesgruben. Als wir uns in eine Art Sackgasse „verfahren“, müssen wir über einen frisch gemähten Stoppelacker wenden, da der Weg zu schmal ist. Marie-Luise bittet mich, ihre GS gleich mit zu wenden, weil der Untergrund sehr weich und lehmig ist.
Die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré lässt sich sehr weich und einfach über den Boden dirigieren. Die GS wirkt dagegen etwas steif, geht zu hart ans Gas, sodass ich mit der Kupplung nachkorrigieren muss. Das wirkt nicht so rund wie mit der Super Ténéré. Ebenso fühle ich mich ergonomisch bei der Yamaha auch im stehend Fahren mehr ins Motorrad integriert, was die Handhabung insgesamt erleichtert.
Ich wünsche mir allerdings eine leichtgängigere Kupplung in sehr langsamen trialähnlichen Passagen.

Nach einigen abenteuerlichen Hindernissen begeben wir uns wieder auf die Straße. Auch hier tauschen wir wieder kurz, um zu vergleichen. In der Motorleistung kann ich kaum einen Unterschied im Antritt feststellen. Im oberen Drehzahlbereich wirkt die 1200er GS spritziger. Im unteren Drehzahlbereich punktet die Yamaha, da sie ohne spürbares Leistungsloch satt durchzieht und die schwere Fuhre mit genügend Druck beschleunigen kann. Angenehmer empfinde ich den im Grundkonzept der TDM 900 ähnelnden Yamaha-Twin bei der Arbeit. Er agiert weicher und mit deutlich weniger Vibrationen. Mit 1199ccm Hubraum ist er bei einer kommoden Verdichtung von 11:1 für 110 PS bei 7250 Umin und ein Drehmoment von 114 NM bei 6000 Umin gut. Die Beschleunigungs- und Durchzugswerte liegen nah bei denen der GS.

Der Kardanantrieb – das Sahnestück
Das absolute Sahnestück an der Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré ist der Kardanantrieb. Er wirkt optisch schon fast ein wenig mickrig und einfach. Lediglich ein Kreuzgelenk reicht für die perfekte Funktion aus. Im Fahrbetrieb spüre ich lediglich bei hartem Beschleunigen oder beim abrupten Gaswegnehmen in den unteren Gängen, dass ein Kardan verbaut ist.
Ansonsten fährt sich die Super Ténéré wie eine Maschine mit Kettenantrieb. Hut ab vor einer solchen technischen Umsetzung. Auf Anhieb setzt dieser Kardan sicher in dieser Klasse den neuen Maßstab, an dem sich andere Hersteller messen lassen müssen. Dieser Kardanantrieb besticht durch absolute Reaktionsarmut und mechanischer Stille. Keine harten Kardanschläge durch Lastwechsel wie bei der GS. Da herrscht Ruhe im Fahrwerk. Genial!

Spurstabil und sicher auch in satten Schräglagen
Der nächste Tag. Fotoshooting und flotte Landstraßenausfahrt sind angesagt. Schließlich soll die Super Ténéré auch bei engagiert-forcierter Fahrweise ihre Qualitäten zeigen können.
Beim Shooting habe ich in meiner Fotokurve das Gefühl, dass die Rasten vielleicht etwas tief angebracht sind, da ich bei jeder Durchfahrt über den Asphalt kratze. Beim Betrachten der Fotos sehe ich dann, dass die Schräglagenfreiheit schon ausreicht. Es liegt daran, wie einfach die Yamaha auch im Grenzbereich ohne Angstpotential gefahren werden kann. Selbst in sehr schnell gefahrenen Kurven behält sie ohne Anzeichen einer Fahrwerksunruhe stoisch ihre Linie. Das schafft sehr schnell Sicherheit und verleitet zu satten Schräglagen. Und es macht einen Riesenspaß, diesen Koloss so leichtfüßig zu bewegen. Wieder und wieder ziehe ich meine Bahn durch die Fotokurve.

Dann ist freies Fahren angesagt. Vorher stelle ich den Fahrersitz in die tiefe Position. Ich mag es, wenn ich mehr in als auf einem Motorrad sitze. Das klappt in der tiefen Sitzposition vorzüglich. Trotzdem bleibt der Kniewinkel noch touristisch angenehm offen. Das straffe Sitzkissen bettet mein Popometer komfortabel, aber nicht zu weich.
Jetzt fühle ich mich in der Super Ténéré richtig wohl. Das drückt sich in einer forcierten und dennoch entspannten Fahrweise aus. Spurstabil behält die Super Ténéré unabhängig vom Straßenbelag meine vorgegebene Linie. Allerdings benötigt sie für die Kurvenfahrt etwas Krafteinsatz, um in Schräglage bebracht zu werden.
Die Verknüpfung aus der voll einstellbaren 43er USD-Gabel und der langen Kardanschwinge ermöglicht einen langen Radstand, der sicher für die Stabilität Verantwortung trägt. Zudem unterstützt die Einbaulage des Motors mit klarer Vorderradgewichtung die Laufruhe und den exzellenten Geradeauslauf bei hohen Geschwindigkeiten.

Auch die Sozia erhält einen Sitzplatz, der langstreckentauglich offene Kniewinkel ermöglicht. Die rutschhemmende Oberfläche lässt sie beim Bremsen da, wo sie eigentlich bleiben soll – auf ihrem Soziakissen.

Angenehm das Serienwindschild. Mit sehr wenig Verwirbelungen schützt es wirksam vor Wetter und Fahrtwind. Selbst Vmax, die mit Koffern bei Tacho 215 liegt, ist wunderbar erträglich und durchaus länger fahrbar.

Der Tank beinhaltet satte 23 Liter Super. Je nach Fahrweise sind Reichweiten bis zu 400 km möglich. Mein Testverbrauch liegt bei einem Mix von klassischem Tourentempo, Schotterpisten, leichten Enduroexperimenten und sportlichen Tempoeinsätzen bei 7 Litern. Bei ausschließlich Tourentempo dürften sicher unter 6 Liter je 100 km möglich sein.

Die ABS-Bremsen – ein Leckerbissen

Die Bremsen sind Leckerbissen in Dosierung und Wirksamkeit, sodass kurze Bremswege trotz des hohen Gewichtes immer erreicht werden können. Vorne wie hinten verbaute man Wave-Scheiben. Die Vorderbremse geht gut als Zweifingerbremse durch.
Im Gelände, auf Schotter oder auf Sand oder Gras tritt das ABS in Aktion. Es regelt erfreulich spät und vor allem kaum spürbar. Mehrere Bremsungen auf Schotter/Sand aus ca. 80 – 100 km/h lassen bei mir den Eindruck entstehen, dass gar kein ABS arbeiten würde, denn die Regelintervalle fallen so kurz aus, dass sie fast nicht spürbar sind. Das ist genial und in der Klasse nachahmungswürdig. Und es schafft ein sicheres Gefühl beim Bremsen.

Fazit:
Es ist soweit. In die Klasse der großen Reiseenduros kommt Bewegung. Und die BMW R 1200 GS hat mit der Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré echte Konkurrenz bekommen. Ihre Fernreise-, Straßen- und Offroadqualitäten liegen auf gleich hohem, wenn nicht sogar teilweise auf höherem Niveau. Genial der neu entwickelte Kardanantrieb, der wie ein Kettenantrieb kaum spürbar seinen Dienst verrichtet. Mit deutlich weniger Vibrationen und einem sehr entspannten Fahrgefühl kann die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré als Begleiter für Weltenbummler in Betracht gezogen werden. Die Serienausstattung mit Motormapping und Traktionskontrolle runden das positive Gesamtbild ab. Sowohl Fahrer als auch Sozia werden ohne Probleme lange Etappen genießen.

Die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré wird sicher sehr schnell ihre Freunde bei Tourenfahrern finden, die auch längeren Offroadpassagen nicht abgeneigt sind. Die Maschine wirkt im Gesamtkonzept stimmig, alles geht auf ihr leicht von der Hand.