Honda CBR 900 RR Modell 2000



Fahrbericht Honda CBR 900 RR
Stand: September 2001
 
Text/Fotos: Ralf Kistner


„Fireblade“, seit 1992 der Inbegriff leichter Supersportbauweise. Mittlerweile in der 4. Auflage präsentierte Honda das 2000er Modell. In den ersten Pressemeldungen fielen mir die optischen Veränderungen, vor allem die böse dreinblickenden Scheinwerfer auf. Die CBR wirkt gedrungen, kompakt und leichtfüßig. Honda, allen vorweg Tadao Baba, der das Projekt „Fireblade“ leitete und die Maschine maßgeblich neukonstruierte, gelang es, trotz 3 vorhandener Generationen der Fireblade eine echte Neuauflage zu kreieren.

Meine Testmaschine bekam ich dankenswerterweise von der Fa. Kreiselmeyer in Feuchtwangen zur Verfügung gestellt. Beim Start fiel sofort der seidige Gleichlauf des 4-Zylinder-Aggregats auf. Sauber nahm die Maschine sofort das Gas an und forderte mich auf, es mir endlich auf ihr bequem zu machen und sie die Straße runter zu scheuchen.

„Bequem“ bei einem Supersportler? Ich hatte da so meine Bedenken. Von meiner Reiseenduro verwöhnt, wollte ich mich erst gar nicht mit dem Gedanken auseinandersetzten, nun mit einem „Joghurtbecher“ in archaisch zusammengefalteter Fruchtblasenstellung auf einem motorisierten Zweirad meinen Tag zu verbringen. „Au weia“, dachte ich mir, „wohin auf dem Sitz mit meinem durchaus wahrnehmbaren Bauchansatz? Wie soll ich das aushalten, wenn die Knie fast bis zum Hintern gefaltet sind?“
Das erste Probesitzen auf der Honda lehrte mich, stets meine Vorurteile in der Realität zu prüfen. Die Sitzposition ist durchaus sportlich, aber auch langstreckentauglich. Überraschend für mich, dass ich mich gar nicht so weit nach vorn und unten beugen musste, um die Lenkerstummel zu erreichen. Angenehm, dass die Füsse ohne markanter Kniefalttechnik die Rasten fanden. Super, wie leicht die Fußhebel zu bedienen waren.

Ich war für das erste beruhigt. So schlimm konnte der Tag ja nun nicht mehr werden.

Natürlich hatte ich vor dem Test einiges über die Maschine gelesen. Die Zeitschriften und einschlägige Websites stehen ja seit Jahresbeginn voll von Berichten zur Fireblade. Beeindruckend waren für mich die technischen Motordaten. Honda schaffte es, dem 929 ccm-Motor eine Leistung von 152 PS zu entlocken. Dazu ein Drehmoment von 103 NM bei 9000 Umin. Das ist doch schon was. Dazu setze man ein Trockengewicht von 170 kg in Relation.
Damit kann man sich doch schon mal auf die Piste trauen und nach aktuellen Supersportlern anderer Hersteller Ausschau halten.
Schade, am Testtag schienen alle verschwunden gewesen zu sein. Aber es war auch nicht weiter schlimm, denn Spaß und Adrenalin brachte mir die CBR auch alleine.

Ich steuerte die seidig summende Maschine von Feuchtwangen auf die Autobahn. Klar, denn wo sonst hat man außer auf teuren Rennstrecken die Möglichkeit, sich an die Vmax heran zu tasten. Vor dem Ausflug auf die Autobahn aber noch ein kurzer Ausflug in die modifizierte Technik der CBR:

Die Motorleistung wurde im Vergleich zur alten CBR satt angehoben. Die Verwendung größerer und steiler stehender Ventile schaffen bessere Strömungsver-hältnisse im Brennraum. Zusätzlich verdichet das neue Aggregat höher. Für präzise Verbrennungsvorgänge implanierte man der Honda ein computergesteuertes Motormanagement. Gemischaufbereitung und Zündzeitpunkt werden individuell berechnet. Zudem regelt ein Ventil im Luftfilterkasten drehzahlabhängig die Luftzufuhr. Ein Regelsystem im Krümmer verbindet bzw. trennt computergesteuert die 4 Krümmerrohre.
Das alles bringt Leistung und Drehmoment satt. Der Clou dabei: als erste Supersportlerin atmet die CBR ihre verbrauchte Luft durch einen geregelten 3-Wege-Kat ins Freie.
Zurück zur bundesdeutschen Autobahn. Jede Person, mit der ich über die Testerfahrungen mit der CBR sprach, sagte mir zuerst, dass es ein so schnelle Gerät heute nicht mehr bräuchte, da man die Geschwindigkeiten auf unseren vollen Straßen eh nicht mehr fahren kann, will man nicht kamikazemäßig unterwegs sein und als Schreckensbiker in schmierigen Boulevardsendungen der privaten Sender erscheinen. Seit dem Überschreiten der 300er-Marke bei Serienmaschinen ein beliebtes Thema zur Meinungsmache. Was man nicht alles tut für gute Quoten.

Na ja, ich musste aufgrund meiner Erfahrungen widersprechen. Mir ist mein Leben was wert. Und das der anderen respektiere ich auch in vollem Maße, so dass ich mich nur in diese Geschwindigkeitregionen vorwage, wenn ich wirklich auf weite Sicht freie Bahn habe.
Ich fand eine „Lücke“ auf der A 6 am Vormittag eines ganz normalen Werktages. Unglaublich. Diese Lücke reichte mir zumindest, das Spurtvermögen über der 200er Marke zu genießen. Es ist ein Genuss, wie die CBR zur Sache geht. Ein 500er SL mit dem guten Stern auf der Haube forderte mich knapp über 200 auf, von der linken Spur zu wechseln. Ich ging rüber, er an mir vorbei. Ich hängte mich an ihn dran. Schwarze Wolken aus seinem Auspuff verrieten mir, dass er sein Gaspedal mächtig bearbeitete. Bei 250 war für ihn dann Schluss. Schließlich werden schnelle PKW heutzutage bei dieser Marke abgeregelt. Nun wich er nach rechts und machte mir die Bahn frei für weiteren Genuss. Wirklich satt, wie die CBR selbst hier noch schieben kann. Ein Gedicht, wie sie am Gas hängt und scheinbar schon durch Gedanken-übertragung beschleunigt.
Bei 280er Tachostand ließ ich dann ab, da in weiter Ferne LKW etc. rasend schnell auf mich zukamen. Der Gedanke, dass der Bremsweg in diesen Geschwindigkeitsregionen knapp einen halben Kilometer lang sein kann, ließ mich Vmax Vmax sein. Ich empfand den Auftritt der CBR hierfür jedenfalls als ausreichend. Überzeugend, wie sie kraftvoll und geradlinig auf dem gesamten Drehzahlband ihre Leistung entfaltet. Ab 8000 Umin läßt sie bis 11000 Umin noch mal ein Feuerwerk an Schubkraft los. So soll es sein. Sauber dosierbar und trotzdem bärenstark - und von Lastwechselreaktionen keine Spur.

Das Fahrwerk passt zum Sportsgeist, den die Maschine ausstrahlt. Neu ist die am Motor gelagerte Schwinge, die mittels eines separaten Gussteils verschraubt wird. Die Motoraufnahme befindet sich in einem stabilen LM-Brückenrahmen. Neu auch die 43er Upside-down-Gabel. Als i-Tüpfelchen erhielt die 2000er Fireblade statt dem bisherigen 16“ Vorderrad ein 17-Zöller. Diese Gesamtkonzeption läßt die Fireblade in bewundernswerter Einfachheit die vorgegebene Richtung einschlagen und beharrlich einhalten. Lange Wellen schluckt sie einfach weg. Kleine Unebenheiten gibt sie klar ans Rückrat des Fahrers weiter. Das Pumpen des hinteren Federbeins gehört dank Überarbeitung der Vergangenheit an. Das Fahrverhalten beim Bremsen bleibt neutral. Imponierend auch das leichte Einlenken. Um mit der Fireblade zügig zu fahren, muss man nicht einen Lehrgang im „Hanging-up“ absolviert haben. In schnell gefahrenen engen Kurven verlangt sie zwar etwas Nachdruck, um sie in die notwendige Schräglage zu bringen, doch ist lange nicht der Krafteinsatz zu leisten, den puristische Supersportler vom Fahrer abverlangen.
Wer wissen will, wo die Grenzen dieses Fahrwerks liegen, wird die Rennstrecke aufsuchen müssen. Auf der Landstraße konnte ich jedenfalls keine Grenzen erspüren.

Ein dickes Lob den Konstrukteuren auf die Bremsen. Das ist Sicherheit pur, was Honda der Fireblade angedeihen ließ. Sauberer Druckpunkt, astreine Dosierbarkeit und Biss ohne Ende zeichnen die vorderen 4-Kolben-Beißzangen an den 33er Scheiben aus. Hinten unterstützt eine 22er Einkolben-Anlage die vorzügliche Verzögerungsarbeit.

Nun noch ein paar Worte zur Ausstattung:
Die Hebeleien können sowohl für Lang- als auch für Kurzfinger eingestellt werden. Unter der Sitzbank findet man ein geräumiges Staufach mit Werkzeug vor. Die Verkleidung bietet recht guten Windschutz, wobei ab 200 km/h eine gebücktere Haltung von Vorteil ist, da der Druck am Helm sonst unvermindert ankommt.

Ein pfiffiges Ausstattungsdetail ist für mich der codierte Zündschlüssel. Die Maschine ist nur zu starten, wenn der entsprechend zur Codierung passende Schlüssel verwendet wird. Im Falle des Verlustes oder Diebstahls kann man bei Honda umcodieren. Der geklaute Schlüssel würde zwar mechanisch noch passen, jedoch verweigerte die umcodierte Maschine stur ihren Dienst.

Fazit:
Die neue Fireblade kann als gelungenes und sportliches Gesamtkunstwerk durchgehen. Honda baute mit der CBR 900 RR eine superschnelle Maschine für jede Einsatzform, solange sich unter den Pneus feste Straßenbeläge befinden. Die Sitzposition ist für Fahrer und Sozius alles andere als extrem sportlich, was ihrer Alltagstauglichkeit noch mehr entgegenkommt.

Ein guter Gegenwert für die 23.220.- DM, die man dem Händler überreicht, wenn man die CBR sein eigen nennen mag.

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Technische Daten:

Motor: flüssigkeitsgekühlter 4-Zyl.-Viertakter; 16 Ventile; 929 ccm bei 54 mm Hub; Bohrung 74 mm; Verdichtung 11,3:1; 152 PS bei 11.000 Umin; 103 Nm bei 9000 Umin; Sekundärluftsystem; 3-Wege-Kat; E-Starter
Getriebe: 6 Gänge
Fahrwerk: LM-Brückenrahmen; Alu-Schwinge mit Pro-Link-System am Motor verschraubt; 43er Upside-down; 120/70-17 vorne; 190/50-17 hinten;
Bremsen: vorne 330 mm Scheibe mit Vierkolbenzange; hinten 220er Scheibe mit Einkolbenschwimmsattel
Tank: 18 Liter
Verbrauch: 6 - 7 Liter Normal (!)
0 - 100 km/h: 2,9 s
Vmax: ca. 275 km/h