Ducati Monster S4



Fahrbericht Ducati Monster S4
Stand: 02.06.2001

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner


Die Monsters haben Familienzuwachs bekommen, um sich vor den immer heftiger gewordenen Attacken anderer Clans aus dem eigenen Lande, aber auch aus Fernost und dem United Kingdom besser erwehren zu können. Nicht, dass die vorhandenen Monstertypen ihre Fangemeinde verlieren würden. Die Verkaufszahlen sprechen eindeutig dagegen. Dennoch fehlte der Clique sozusagen ein großer Bruder als Aushängeschild. Einer, der alles genauso kann, wie alle Monster - nur halt alles ein klein wenig besser.

Ducati stellte letztes Jahr die Monster S 4 zum Verkauf frei. Einige Modelle sind schon unterwegs im Straßendschungel, um sich durch die Asphaltbiegungen so richtig durchzubeißen. Ein Exemplar der Monsterspezies bekam ich dankenswerterweise von der Fa. Boxenstopp in Augsburg zur Verfügung gestellt.

Die neue Monster gefällt mir persönlich gleich auf den ersten Blick. Die kleine Verkleidungsscheibe vermag einen Hauch von Windschutz zu vermitteln. Ducati griff bei der Konzeption der S 4 in den hauseigenen Baukasten. Das Chasis der ST 4 bestückt mit dem bewährten Aggregat der 916, ergänzt mit 2 ausladenden Lenkerhälften, die dem Handling des Untiers zum Wohle gereichen - fast fertig ist die S 4. Dennoch - die Optik ist sicher nicht unbedingt jedermanns Sache.
Monstertypisch stellt die S 4 ihren Gitterrohrrahmen zur Schau. Ebenso darf man sich am Anblick des V-Zwo ergötzen, der linksseitig leider von einem Wirrwarr an Kabeln und Schläuchen abgelenkt wird. Schön die Fünf-Speichen-Felgen von Marchenisi. Monsteruntypisch sitzt vor dem Motor ein breiter gebogener Wasserkühler, der die klare Linie der Monsters stilistisch stört. Zudem dürfte der Kühler bei seiner Breite durchaus zu den Sturzteilen gehören, was schon bei "kleinen" Stürzen sicherlich schnell ins Geld gehen kann.

Nähert man sich der Monster, fällt eine rot-blinkende LED im Drehzahlmessergehäuse auf, die auf die aktivierte Wegfahrsperre der S 4 hinweist. Steckt man den Zündschlüssel ins Zündschloss, ist der Spuk vorbei.
Auffällig am Familienzuwachs sind die überall montierten Carbonteile. Vorne wie hinten spendierte man der Diva hochwertige Carbonkotflügel. Seitendeckel, Zahnriemenabdeckung und Hitzeschutz sind ebenfalls aus dem edlen Stoff gearbeitet. Das macht sich gut, denn das Auge fährt ja auch mit.

Ich nehme nun endlich auf der S 4 Platz. Der Arbeitsplatz des Dompteurs ist aufgeräumt und übersichtlich. Infos kommen von der Instrumentierung über die wichtigsten Daten. Auf Uhr und Tankanzeige wurde verzichtet. Aber wer braucht dies auf einer Monster? Hat Monsterfahren nicht schon immer etwas Zeitloses gehabt? Ich habe schon einige Kilometer auf verschiedenen 900er Monster gefahren und spürte die Leidenschaft, die dieses Bike seit Anbeginn seiner Existenz versprühte. Ich konnte die Zeit während dieser Touren vergessen und mich dem Flair dieses Bikes überlassen. Jetzt sitze ich auf der stärksten Serienmonster, der Ducati endlich ab Werk eines der vorhandenen kraftstrotzenden Vierventilherzen implantierte.

Beim Start springt dieses sofort und willig an. Typisch der tiefbullernde Sound und die mechanischen Geräusche der Trockenkupplung. Schnell noch die Hebeleien auf meine Hände einstellen - Gang rein - und los. Beim Anfahren fällt gleich eine ewig lange Übersetzung der unteren Gänge auf. Die S 4 kommt kaum in mittlere Drehzahlregionen hinein, wenn ich in der Stadt bis in den 3. Gang schalte. Auf der Landstraße bei 100 kmH im sechsten Gang habe ich das Gefühl, sie ständig untertourig zu bewegen. Ich bin versucht, runterzuschalten, tu es schließlich, bis ich im vierten Gang bin.
Jetzt liegen eine Drehzahl und ein Sound an, die mich sofort emotional ansprechen, meinen Gesichtsausdruck verändern und eine direkte Attacke auf meine rechte Hand ausüben. Die S 4 scheint mich zu fragen, wann es endlich los geht, wann sie endlich losbrechen darf, wann sie endlich zeigen darf, dass sie für wesentlich mehr taugt als für das Mitschwimmen im Verkehr. Ein Zucker meiner rechten Hand lässt die Monster vorschnellen. Ich schalte runter bis in den 2. Gang und will nun wissen, was die Monsterdiva drauf hat. Sie leistet satte Überzeugunsarbeit in dem Moment, in dem ich den Gashahn aufziehe. Sie brüllt auf und schnellt blitzartig nach vorne. Brachial ihre Leistungsentfaltung ab guten 6500 Umin. Sie explodiert regelrecht, hebt vor lauter Kraftmeierei das Vorderrad und schreit ihre Lauffreude phonstark in die Lande. Ein kurzer Klick am Schalthebel legt den 3. Gang ein. Unbändig drückt das Untier nach vorne. Bis in den 6. Gang hinein. Ich kann nun vom Motor nichts mehr hören. Zu stark tobt um mich herum der Fahrtwind. Die kleine Verkleidungsscheibe nimmt etwas Wind weg. Ich muss mich zusammenkauern, um ein kurzes Stück mit gut 230 Sachen über die Autobahn zu donnern und nicht vom Sitz geblasen zu werden. Nicht, dass bei 230 Ende wäre. Die S 4 bedeutete mir, dass sie noch weiter wolle.

Ein Genuss ist das Fahrwerk. Vorne wie hinten voll einstellbar kann sich jeder individuell seine Monster für seine Bedürfnisse richten. Ich fahre mit der Werkseinstellung, die ein gelungener Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit darstellt. Die Monster hat echte Schluckerqualitäten, was kleine Bodenwellen und Längskanten deutscher Straßenflickereien angeht.
Auf meiner Teststrecke unterziehe ich die S 4 dann einer ausgedehnten Tauglichkeitsprüfung, was enge Kurvenkombinationen und Schräglagenfreiheit angehen. Langsam gefahren wirkt sie vom Vorderrad her etwas kippelig. Das ist aber nicht weiter schlimm, sondern einfach nur spürbar. Und die S 4 steht nicht alleine mit dem Verhalten in der Klasse, denn der Rest der Monsters und die Cagiva Raptor können das genauso. Das Einlenken geschieht fast wie von selbst. Größere Schräglagen verlangen dagegen etwas Nachdruck, was sicherlich vom 180er Hinterreifen herrührt.
Meine Maschine ist mit dem Michelin Pilot Sport bestückt, der am Hinterrad jedoch leider beim Herausbeschleunigen aus Kurven einige Male an die Haftungsgrenze kommt. Ebenso zeigt er beim Schräglagenbremsen ein klares Aufstellmoment.

Ansonsten kann die S 4 auf kurvigen Landstraßen voll und ganz überzeugen. Das Fahrwerk ist über jeden Zweifel erhaben. Nichts, aber wirklich nichts kann ihm etwas anhaben. Kurze Kurvenkombinationen im Bereich um die 100 km/h meistert die Monster ebenso spielerisch wie sie bei 200 km/h spurstabil bleibt und sich in schnellen Kurven auch von hinterhältigen Bodenwellen kaum beeindrucken lässt. Die stellenweise leicht spürbare Nervosität geht dabei sicherlich auf das Konto des breiten Hinterreifens. Schräglagenfreiheitsgrenzen kann ich bei der kurzen Testdauer keine feststellen, obwohl ich sicherlich nicht nur geradeaus meine Linien ziehe.

Negative Beschleunigung erfahre ich in altgewohnter Ducmanier genauso heftig wie die positive. Zwei Mal Vierkolben-Festsättel vorne, die sich in 320er Scheiben verbeißen, unterstützt von einem Zweikolben-Festsattel mit einer 245er Scheibe hinten, sorgen zu jeder Zeit für kraftvolle Geschwindigkeitsreduzierung. Bei der Betätigung stimmen Druckpunkt, Dosierung und vor allem die Verzögerungsleistung.

Angenehm empfinde ich auch nach längerem Ausritt die Sitzposition. Die Sitzhöhe beträgt 80 cm. Ich fühle mich wie mit der Maschine verwachsen. Die Kniewinkel sind eng, aber noch in dem Rahmen, dass temporäre Dehn- und Streckübungen während der Fahrt ausreichen, das Wohlbefinden wieder herzustellen.
Die Stunde der Wahrheit kommt dann an der Tankstelle. Ich bin wirklich nicht langsam unterwegs gewesen. Geht mit der Monster meiner Meinung auch gar nicht. Der Tank fasst 16,5 Liter. Die Reserveanzeige forderte mich nach gut 200 km erstmals dazu auf, für genügenden Nachschub an zündendem Stoff zu denken. Die S 4 verbrauchte bei meinen Testfahrten im Schnitt 6,5 Liter Super bleifrei. Erstaunlich, wenn ich daran denke, wie zügig ich mit der Monster über unsere Teerbänder wedelte. Es beweist wieder, dass Ducs in der Anschaffung teurer als ihre Konkurenz sind, der Spritverbrauch dies jedoch subjektiv wieder aufwiegen kann.

Ach ja, 23.000 .- DM sollte man übrig haben, um in eine Monster, in eine echte Herzensangelegenheit zu investieren.