Vergleich Yamaha R6 vs. Triumph Daytona 675



Ring frei für die Mittelklasse


Text: Marc Noll, Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, Marc Noll



In der linken Ecke:
Die Triumph DAYTONA 675 mit einem Kampfgewicht von 191 kg (vollgetankt) und 123 PS bei 12500 Upm.
Der Dreizylinder erreicht sein maximales Drehmoment von 72 Nm bei 11750 Upm.

Dies ist Triumphs vierter Anlauf, sich in der 600er - Klasse zu etablieren. 1999 startete man mit der TT 600 den ersten Versuch, in dieser heiß umkämpften Klasse Fuß zu fassen.
Man entschied sich in Hinckley damals erstaunlicherweise nicht für den standesgemäßen Drei-, sondern für einen Vierzylinder. Dieser leistete 110 PS und 68 Nm. Die TT 600 schnitt bei den ersten Vergleichstests trotz hervorragendem Fahrwerk und guten Bremsen schlecht ab. Grund dafür war der etwas durchzugsschwache Motor. Und so erwarb sich die TT 600 einen sehr viel schlechteren Ruf als sie eigentlich verdient hat.

Im Winter 2002 wurde sie dann durch die DAYTONA 600 ersetzt. Mit neuem, deutlich aggressiverem Design und überarbeitetem Motor, gelang es der Britin trotz allem nur bedingt sich gegen die high tech - 600er aus Fernost zu behaupten.

Für die Saison 2005 pfiff man bei Triumph auf das 600er Reglement - der Hubraum wurde auf 650 cm³ aufgestockt. Diese 50 cm³ taten der erneuerten Daytona sehr gut. Der dadurch spürbar gesteigerte Druck im unteren und mittleren Drehzahlbereich verhalf ihr auch in der Fachpresse zu den lange ersehnten guten Kritiken. Sie ist heute ein echter Geheimtip (bezüglich des Preis-Leistungs-Verhältnisses) auf dem Gebrauchtmarkt.

Aber wie es eben so ist: das Bessere ist des Guten Tod! Mit der Daytona 675 ist Triumph endlich der ganz große Wurf gelungen. Durch die Verwendung eines traditionellen Dreizylinders ist man dem hauseigenen, gewohnt individuellen Stil wieder treu. Und es ist auch das erste Mal überhaupt, dass ein 3-Zylinder in der Mittelklasse Verwendung findet.

Das Erste was mir in Puncto Design auffällt ist, dass die englische Lady nun mit einer deutlich schmaleren Taille daher kommt als ihre 4-zylindrige Vorgängerin. Dies ist nicht nur auf den fehlenden Zylinder zurück zu führen, sondern dem schmalen sehr kompakten 12V Motor zu verdanken. Um ihn schmiegen sich eng die Seitenteile der Verkleidung. Um so eine schmale Baubreite zu erreichen wurde das 6 Gang Getriebe hochgesetzt. Dadurch fiel natürlich auch die Baubreite des Rahmen sichtbar schmäler aus. Die stilvollen Doppelprojektionsscheinwerfer runden das Gesicht der Engländerin ab. Zwischen ihnen sitzt der Ram-Air-Einlass.
Bevor das Thema Design abgeschlossen werden kann, muss man noch die Felgen erwähnen. Während die Vorgängerin noch auf unspektakulären 3 Speichen daher rollte, wurde die 675er mit einem filigranen 5 Speichen- Design ausgestattet. Auf diesen sind serienmäßig Pirelli Dragon Super Corsa montiert.

Das Fahrwerk ist natürlich in Druck und Zugstufe voll einstellbar. An der Upside - Down Gabel sind die 4 Kolbenzangen radial verschraubt, die sich auf Befehl in die 308mm großen Bremsscheiben verbeißen.

Auch die Digitalinstrumente lassen keine Wünsche offen von Durchschnittsverbrauch bis zum Rundenrechner, mit dem die Rundenzeiten verglichen werden können, ebenso wie der Vergleich von Höchst- und Durchschnittsgeschwindigkeit, Schaltblitz inclusiv.

Dies alles bekommt man für 10.500 € vom freundlichen Triumph - Dealer in den Farben Scorched Yellow, Tornado Red oder Graphite Grey.
 
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In der rechten Ecke:
Die die Yamaha YZF-R6 (Modell 2006) mit einem Kampfgewicht von fahrfertigen 190 kg und einer Leistung von 127 PS bei 14 500 U/min und einem maximalen Drehmoment von 66 Nm bei 12 000 U/min. Sie wurde für den Test dankenswerterweise von Herrn Schindel von der Firma Bike&Motorwelt in Monheim (www.bike-motorwelt.de) zur Verfügung gestellt. Neben der R6 erwartet dort den Besucher eine riesige Auswahl an Motorrädern, Quads und Fahrrädern.

Die R6 wurde von den Yamahaingenieuren radikal auf Sport getrimmt. Ich erinnere mich noch an die 2003er R6. Angenehme Sitzposition und ein schon im mittleren Drehzahlbereich gut drückender Vierzylinder, dazu ein schon fast reisetaugliches Sportfahrwerk waren ihre auffälligsten Eigenschaften für mich. Die aktuelle R6 lässt mich in einer extremeren Position Platz nehmen. Auffällig die tiefen, aber breit anglegten Lenkerstummel, die gute Handlichkeit versprechen.

Polarisierend empfinde ich das sportlich-filigrane Design. Viele Linien führen das Auge entlang des Motorrades, das überall kleine Elemente als Blickfang trifft. Der Motor ist partiell sichtbar. Alles wirkt kompakt. Elemente wie die 41er USD-Gabel, der Brückenrahmen oder die Schwinge wirken massiv und stabil. Fast schon ein Muss in dieser Klasse - die radial verschraubten Bremszangen. Das Gesicht wirkt aggressiv. Schön gelöst: die Ram-Air-Öffnung integriert zwischen den beiden flachen Scheinwerfern.

Kompromisslos auf Sportlichkeit ausgerichtet wirkt die steil angestellte Schwinge und der Lenkkopfwinkel von 66°. Das flache Heck unterstreicht die Sportoptik. Für den Rennstreckenheizer, der gerne auch mal eine Sozia mitnimmt, bietet die R6 die Möglichkeit, mit ein paar Handgriffen und passendem Werkzeug den etwas eigentümlich aussehenden Kennzeichenhalter und die Soziusfußrasten abzuschrauben. Für die Aufnahmelöcher der Rasten werden Kunsstoffabdeckungen gleich mitgeliefert.

Der Auspuff wanderte nun dahin, wo er hingehört: Nach unten, um den Schwerpunkt so tief wie möglich zu bringen. Er fügt sich nahtlos ins Gesamtkonzept ein und schaut meiner Meinung nach toll aus. Und wer einen Blick in die tiefe Röhre riskiert, wird nicht zu sehen bekommen als ein Titan-Lochblech-Innenkleid und tief drinnen die Klappe der EXUP-Auslassregulierung zur drehzahlabhängigen Steuerung des Auspuffdurchmessers.

Was ist noch neu:
Verringerter Hub auf 42,5 mm bei einer Bohrung von 67,0 mm; engere Ventilwinkel; reduzierte Massen an Kurbelwelle, Kolben und den Ventilen, die nun aus Titan gefertigt sind; max. Drehzahl nun bei 17 500 U/min (lt. Drehzahlmesser; über 18 000 U/min beim Drehzahlbegrenzer); kompaktere Anordnung von Kurbel- und Getriebewellen; Anti-Hopping-Kupplung; Zylinderkopf und Gehäusedeckel jetzt aus Magnesium; Endschalldämpfer aus Titan;
Innovation: das Chip Controlled Throttle-System - ein rechnergesteuertes System zur Öffnung der Drosselklappen, das durch das Einbeziehen von vielen Parametern eine präzise Gemischaufbereitung ermöglicht;
Rahmen aus Verbund von gegossenen und gepressten Komponenten für gesunden Mix aus Steifigkeit und Flexibilität; lange Schwinge; Fahrwerk voll einstellbar; Federbein-Druckstufe mit High- und Low-Speed-Bereich

Ein vollkommen neues Motorrad hat Yamaha auf die Beine gestellt. Aber wie fährt sich die R6 nund im Vergleich zur Triumph?

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Der Vergleich

Wohlgemerkt: es handelt sich hier um einen Vergleich auf der Landstraße. Ich suchte für die Vergleichsfahrten eine Strecke aus, die alles bietet. Flickwerkpassagen, glatter Asphalt, schnelle und langsame Kurven, rechts-links-Kombinationen, Steigungen und Gefälle. Jeder fährt beide Maschinen über die gleiche Strecke, um den Vergleich so objektiv wie möglich zu gestalten.

Auffällig beim Aufsitzen der Unterschied der Sitzpositionen. Die R6 fordert eine eindeutige Handgelenksabstützung, die Triumph lässt den Fahrer leicht komfortabler aufsitzen.

Betörend von beiden Maschinen der Sound:
die R6 röchelt aus der Airbox und schreit ihre Drehzahlgeilheit lautstart heraus. Die Triumpf wirkt kräftig sonorer und versteckt aggressiv beim Aufdrehen der Gasrolle. Der typische Triple-Sound macht an.

Die Triumph entpuppt sich schnell als feines Landstraßengerät. Der Motor schiebt bereits aus den unteren Drehzahlen, so dass sich auch bei flotter Fahrt eine gewisse Schaltfaulheit einstellen kann. Quasi ohne Dreh- und Leistungsloch schiebt sie beständig und zündet ab ca. 10 000 U/min noch mal den Nachbrenner mit Leistung satt. Sie schiebt im Leistungsbereich nicht ganz so heftig wie die Yamaha.

Die Yamaha hingegen braucht Drehzahl. Nicht, dass sie untenrum faul ist. Doch hat das, was sie bis 7 000 U/min abgibt, noch nicht wirklich etwas mit Leistung zu tun. Dann aber geht es schnell nach oben. Zwischen 7 000 und 10 000 U/min wird die erste Stufe des Nachbrenners gestartet. Sie schiebt eindeutig und untermalt von kernigem Sound nach vorne, um dann ab 10 000 U/min förmlich bis über 18 000 U/min an den Begrenzer hin zu explodieren. Das weckt Emotionen, zeigt die sportliche Leidenschaft, die sie mitbringt. Und die eindeutige Rennstreckenausrichtung. Es bedarf reichlicher Schaltarbeit, um die R6 bei Laune zu halten, was sie mit leichtem Vorderrad und fulminantem Schub belohnt.

Beide Maschinen wirken äußerst handlich, wobei die R6 hier ihre große Stärke ausspielt. Ihr Handling wirkt spielerisch. Ohne wenn und aber giert sie nach Schräglage, untermalt von lautem Gekreische. Die Engländerin durchspielt diese Prozeduren britisch gelassen im Understatement, aber nicht weniger flott, nicht weniger präzise. Sie benötigt etwas mehr Nachdruck in schnell angegasten Kombinationen.
Beide bieten maximale Stabilität und Lenkpräzision. Beide sind derart gut ausgelegt, dass unser Landstraßenmix keine der beiden Sportlerinnen auch nur in die Nähe einer Grenze bringen kann.

Die Triumph wirkt komfortabler in der Fahwerksauslegung. Sie schluckt feine Unebenheiten auf bei schneller Fahrt fast komplett weg. Da werden Handgelenke und Po des R6-Treibers mehr gemartert. Allerdings bekommt man auf der R6 auch eine feinere Rückmeldung vom Vorderrad.

Auf die Bremsen muss man hier nicht weit eingehen. Beide Bremsanlagen sind Meisterwerke an Biss und Dosierbarkeit. Fading kann auch bei hartem Angasen bei beiden nicht festgestellt werden.

Fazit:
Die Triumph DAYTONA 675 und die Yamaha YZF-R6 sind derzeit das Maß der Dinge in der Mittelklasse, obwohl das Feld der Mitbewerber haarscharf folgt. Jede charakterisiert wiederum eine eigene Gattung in dieser Klasse.

Die Triumph geht den Weg des Allround-Sportlers, der auch auf der Landstraße deutlich punkten kann mit kräftigem Durchzug in allen Drehzahlregionen, präzisem Fahrwerk und genialen Bremsen.
Die R6 spricht eindeutig den radikalen Knieschleifer an, der vor allem auf der Rennstrecke schnelle Runden drehen möchte. Auf der Landstraße brilliert die R6 mit ihrer spielerischen Agilität und den ebenso genialen Bremsen. Für die flotte Fahrt muss sie mit Schaltarbeit auf Drehzahl gehalten werden.

Beide stehen nach den Testfahrten wieder in ihren Ecken. Die Ringrichter entscheiden: Unentschieden nach Punkten.