BMW K 1200 S - Bajuwarische Power



Fahrbericht BMW K 1200 S

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, Gitte Schöllhorn

Die Neuigkeit schlug im Sommer 2004 ein wie ein Blitz im Baumwipfel. BMW baut eine supersportliche Tourenmaschine mit 168 PS. Ich war gespannt, wie die Weißblauen aus München das realisieren wollten. Vor allem war ich gespannt darauf, ob die eine schlappe Neuauflage der schon laufenden K 1200 RS werden sollte oder ob man sich in der Entwickleretage mit Innovationen schmückte. Letzteres war der Fall.

Ich bekomme ein weißblaues Exemplar als Testmaschine zur Verfügung gestellt. Die Farbkombination regt zu Diskussionen an. Gefälliger finde ich die gelbschwarze oder die anthrazitfarbene Variante. Aber das ist Optik, und die muss jeder für sich selbst bewerten.

Auf dieses Motorrad war ich richtig gespannt. Selbstverständlich habe ich mich umfassend über dieses Motorrad im Vorfeld informiert. Man neigte dazu, die abstrusesten Vergleichstests durchzuführen, was mir jedoch zeigte, dass die K 1200 S mehreren Segmenten zugeordnet werden kann.

Ich betrachte die einzelnen Innovationen, die die K 1200 S sicherlich momentan eine Einzelrolle einnehmen lassen.
Unauffällig verrichtet unter der vorderen Verkleidung die Vorderradführung ihren Dienst. Die vom Engländer Norman Hossack erfundene und nun von BMW schlicht als "Duolever" bezeichnete Doppellängslenker-Konstruktion verhindert effektiv das Bremsennicken und soll durch feinstes Losbrechmoment für einen erheblichen Komfortzuwachs bei sportlich anmutender Stabilität sorgen. Dabei verhindert es wirksam große Veränderungen der Fahrwerksgeometrie beim Ein- bzw. Ausfedern.

Die optional für 650.- Euro Aufpreis erhältliche elektronische Fahrwerksverstellung ESA (= electronic suspension adjustment) erlaubt während der Fahrt Änderungen in der Dämpfungseinstellung. Dabei verstellen Elektromotoren vorne die Zug-, hinten Zug- und Druckstufe. Im Stand kann per Knopfdruck die Federbasis angepasst werden, was vorzüglich funktioniert.

Der Motor mit Trockensumpfschmierung und neuartigem Kühlsystem finden mit stark nach vorn geneigter Zylinderbank quer in den Rahmen eingebaut seinen Platz. Der chopperähnlich flache Lenkkopfwinkel, der lange Nachlauf und Radstand lassen Kenner verwundert dreinblicken und sich fragen, wie denn das mit der Handlichkeit funktionieren soll, vor allem bei einer als sportlich eingestuften Maschine.

Im Stand läuft der Motor gleich nach dem Starten mit leicht erhöhter Leerlaufdrehzahl rund wie ein Uhrwerk. Ein kurzes Spiel mit dem Gas verrät, dass die Soundkomponisten zwischen 3500 und 5000 U/min die K brüllen lassen aus dem Luftfilterkasten. Die Sitzposition erweist sich als komfortabel mit sportlicher Ausrichtung. Alles passt genau und lässt vermuten, dass längere Touren ohne Knie-, Rücken- oder Handgelenksschmerzen genossen werden können, was die K während der Wheelie's-Thusis-Tour Ende Mai 2005 eindrücklich unter Beweis stellen kann.

Die Instrumente informieren mit analogem Tacho und Drehzahlmesser inklusive einem informativen Display übersichtlich und nahezu blendfrei über den Stand der Dinge.

Nun soll aber das Fahren für sich sprechen. Alles wirkt beim Fahren unauffällig. Bis auf der Klang der Maschine. Da haben die Soundingenieure für bayerische Verhältnisse eine saubere Geräuschkulisse gezaubert. Die K brüllt wie beschrieben im unteren Drehzahlbereich ein wenig derb, aber lustbetont aus der Airbox. Im oberen Drehzahlbereich und beim harten Angasen schreit sie derart lauthals und kompromisslos, dass es nur so eine Freude ist. Ein Boxerpurist meinte abfällig, dass die K 1200 S ja klänge wie ein Japaner. Ja, genau, endlich ist man weggegangen vom braven Einheitsblubbern. Endlich auch für die Ohren eine Innovation. Man kann doch hören lassen, dass die Maschine Schmackes hat.

Die K hängt sauber am Gas. Ich schalte mich hörbar klackend durch die sechs Gänge und schwimme im Verkehr mit. Überholvorgänge im höchsten Gang stellen kein Problem dar. Auch wenn sich die K immer unter 5000 U/min bleibt, stellt sie trotzdem genügend Kraft zur Verfügung, dass zügiges Überholen ohne Einschränkung funktioniert. Es läuft dabei alles unspektakulär. Ich habe das Gefühl, die K bereit seit langer Zeit mein Eigen zu nennen. Keine Gewöhnungszeit, einfach draufsetzen und losfahren.

Auch in den ersten zügiger angefahrenen Kurven glänzt die K mit Zielgenauigkeit und vor allem erstklassigem Handling. Auf dem Weg zur Fotolocation lasse ich die K kurz mit Sozia laufen. Ich bin überrascht, wie wenig eine Sozia bei höherem Tempo auf einem Motorrad spürbar sein kann. Sie findet hinter mir ebenfalls einen komfortablen Platz mit angenehmem Kniewinkel vor. Und der Windschutz reicht selbst über 200 km/h leicht für beide aus. Gigantisch - und das Ganze ohne Verwirbelungen am Helm.

Bei weiteren Ausfahrten beginne ich immer wieder, die Leistung der potenten Bajuwarin weiter abzurufen. Die Leistungsabgabe wirkt homogen und gleichmäßig, wobei ab 8000 U/min der Nachbrenner zündet. Da ist Schluss mit lustig. Da heißt es aufpassen, denn plötzlich können Kurven schneller herangeflogen kommen als man es gewohnt ist. Das Tempogefühl sollte immer mit einem Tachoblick synchronisiert werden. Der wirklich hervorragende Windschutz lässt die wahrgenommene Geschwindigkeit geringer erscheinen, hält daneben den Kopf weitgehend druckfrei, sodass ich mich auch jenseits der 250 km/h nicht sonderlich klein machen muss. Mein Waschbärbauch dankt dies den Erbauern;-)

Das Potenzial der Maschine zeigt sich bei einer Ausfahrt mit einem Bekannten mit seiner ZX 10. Wiegt diese doch exakt 50 kg weniger und leistet dafür aber ca. 7 PS mehr, muss er seine Kawa, so wie er anschließend berichtete, schon ziemlich weit ausquetschen, um an der K 1200 S dranzubleiben. Dabei fahren wir kleine Landstraßen mit engen Kurven, die mit z.T. welliger Fahrbahnoberfläche die wirklich hervorragenden Fahrwerksqualitäten der BMW in den Vordergrund rücken. Einerseits bleibt sie überall in jeglicher Schräglage spurstabil. Zudem dämpft sie einen Großteil der Unebenheiten einfach weg. Ich nutzte hier häufig das ESA und wechsele meist zwischen "Komfort" und "Normal". Die "Sport"-Stufe wirkt mir auf der Landstraße zu knochig, verspricht aber auf der Rennstrecke noch einiges an Potenzial.

Die Tourenqualitäten und Passtauglichkeit stellt die BMW während der Tour in die Schweiz unter Beweis. Angenehm das optionale Koffersystem und der geräumige, aber nicht störende Tankrucksack. Die "Schminkköfferchen", wie sie ein Bekannter nannte, erweisen sich als Allroundgenies, da sie fast stufenlos an das Gepäckvolumen angepasst werden können und voll ausgeklappt meine komplette Tourenausstattung beherbergen. Allerdings kann mitgeführtes Gepäck nur in extra Innentaschen wasserdicht transportiert werden. Die Koffer selbst sind nicht komplett dicht.

In den Pässen überrascht mich die K mit ihrer trotz langem Radstand leichten Handlichkeit. Zwar muss ich in engen Kehren mit etwas Nachdruck arbeiten, doch erleichtert der gut am Gas hängende Vierzylinder die Pässehatz enorm. Und die z.T. massiv kaputte Fahrbahn des Albulapasses schluckt die Komforteinstellung des Fahrwerkes, sodass stets entspanntes Fahren möglich ist. Gewaltig, was die Vorderradführung dabei alles wegzuschlucken vermag. Die scherenartigen Doppellenker zucken beständig. Selbst auf vermeintlich glattem Teerbelag zeigen sie Unebenheiten und schlucken diese vollständig. Das funktioniert genial. Kein Nicken beim Bremsen, maximale Stabilität und top Komfort. Leider fehlt eine saubere Rückmeldung vom Vorderrad, was bei harter Kurvenhatz blindes Vertrauen in die Vorderradhaftung erfordert.

Leider benötigt die K für ihre volle Leistungsentfaltung das teure Super Plus, was mit den aktuellen Benzinpreisen im Haushalt schon einen Sonderposten einnehmen kann. Dank Klopfsensor besteht die Möglichkeit, das normale Super zu tanken. Allerdings reduziert sich vor allem im unteren Drehzahlbereich der Durchzug spürbar. Der Verbrauch hielt sich in annehmbaren Grenzen. Er pendelte von 5,7 - 8,5 Litern - je nach Fahrweise und Einsatz.

Die Bremsanlage genügt bis auf die Dosierbarkeit höchsten Ansprüchen. Die BMW K 1200 S besticht mit einem teilintegralen Bremssystem mit elektronischer Bremskraftunterstützung und einem gut funktionierenden ABS. Sie ist weniger bissig ausgelegt als frühere Versionen mit Bremskraftverstärker. Das steigert die Dosierbarkeit enorm, jedoch besteht immer noch ein großer Unterschied zur feinen Dosierbarkeit einer Standardbremse. Die Bremskraft allerdings ist rekordverdächtig. Durch den langen Radstand und das fehlende Bremsnicken wird der hinteren Bremse mehr Bremskraft zugewiesen. Zudem verhindert der Radstand der K das Steigen des Hinterrades bei ankermäßigem Verzögern. Dabei kommt das ABS wirklich nur bei rutschigem Untergrund in den Regelbereich. Auf trockener Straße drückt es mir bei einigen satten Bremsungen das Blut in die Stirnadern wie selten zuvor. Die Verzögerungswerte sind rekordverdächtig, wenn sie denn genutzt werden.

Es ist für mich schwer, die Leidenschaft zu vermitteln, die diese Maschine versprühen kann. Man muss sie erkennen und zu nutzen wissen.
Formal wirkt BMW K 1200 S technisch innovativ und voller Hightech. Wer sie jedoch mal fahren konnte, wird von ihrem perfekten Serienfahrwerk, ihrer stets vorhandenen Kraft, ihrem Sound und ihren Alltagsqualitäten begeistert sein. Wer es lieber sportlich angeht, wird von ihrer Stabilität, Spurtreue und der rasanten Schräglagenfreiheit begeistert sein. Allerdings sollte er sich auch ein kleines Lager an Hinterreifen bereitlegen, denn die weichen Bridgestone BT 014 oder die Metzler Sportec M1 können sich schon nach 1200 km in den illegalen Profiltiefenbereich verabschieden. Wer es touristisch angehen lässt, kann dann jedoch schon 2500 km erreichen.

Fazit:
Insgesamt stellt die BMW K 1200 S für mich derzeit eine der perfektesten Fahrmaschine mit einem für BMW-Motorräder ungewöhnlich einzigartigem Charakter dar. Eine Maschine, die durchaus in der Lage ist, neben aller Funktionalität und innovativem HighTec Emotionen zu wecken. Bleibt zu hoffen, dass man in München diesen Weg weiter beschreitet. Schließlich ist Motorradfahren nicht nur Kopfsache. Vernünftige Motorräder gibt es genug. Die Einzigartigen machen von sich reden.

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Persönliche Anmerkung:
Der Test der K 1200 S wurde kurz vor der Abholung der Maschine bei einem Überholvorgang jäh durch einen herben Zusammenstoß mit einem plötzlich nach links ausscherenden Traktor beendet. Ich hatte trotz einiger erheblicher Verletzungen noch Glück im Unglück. Die Maschine ist Schrott.