BMW K 1600GT - Auf Tour in den italienischen Bergen



Text: Ralf Kistner
Fotos : Ralf Kistner, A. Stiller

BMW K1600GT - Auf Tour in Italien
Pso. della Spina nach den Tunneldurchfahrten

Wir sind auf Tour. Eine Woche Italien. Richtung Südtirol soll es gehen – ohne Zimmerbuchung. Wir entfliehen dem kalten Dauerregen, der sich hier Anfang August breit macht und für schlechte Urlaubsstimmung sorgt. Für Südtirol ist die Vorhersage zumindest wärmer und deutlich trockener, auch wenn der eine oder andere Schauer kommen soll. „Egal“, denke ich mir. Wir sind unterwegs mit der aktuellen BMW K 1600 GT, die ich in 2012 schon eingehend testen konnte (Teil1: Der Test -->). Ich erinnere mich noch an die kühlen Apriltemperaturen damals, an einige kühle Schauer – und daran, dass diese Wetterkapriolen mit dem umfangreichen Wetterschutz der Maschine keine Probleme darstellten.
Die BMW wird mit Vollausstattung geliefert. Im Vergleich zur in 2012 getesteten Version bringt die aktuelle K noch LED-Zusatzscheinwerfer, Sturzbügel und ein eingebautes Navi mit.

Beim Start sieht alles grau in grau aus. Wir entscheiden, gleich in der Früh erst Mal Kilometer zu fressen. Der verbaute Navigator V (ähnlich Garmin Zumo 590) meldet 165 km über die z.T. vierspurige B17. Ok, das nehmen wir in Kauf für eine kürzere Zeit, um uns dann in den Bergen auf der Anreise Zeit lassen zu können. Schließlich wollen wir heute über das Lechtal, das Hahntennjoch, das Ötztal, das Timmelsjoch, den Jaufenpass und das Penser Joch bis nach Bozen kommen.

Der Verkehr läuft flüssig. Man merkt die Sommerferien, die für deutlich leerere Straßen in Bayern sorgen. Und nach Augsburg darf die GT erstmals zeigen, was sie motormäßig mitbringt. Wir sind beladen mit vollem Topcase, vollen Koffern und einem gut gefüllten Tankrucksack. Das Fahrwerk habe ich auf max. Beladung und max. Dämpfung eingestellt.
Der Verkehr wird weniger, das gefahrene Tempo mehr. Stoisch und gelassen zieht die K im Bereich zwischen 180 und 220 km/h ihre Linie. Hin und wieder zeigt der Tacho gute 240 an – bis ich von hinten eindeutige Zeichen bekomme, das Tempo etwas zu minimieren. So gelangen wir schnell bis Landsberg/Lech, wonach die 17er nur noch mit 100 befahren werden darf. Dann Abbiegung nach Schongau, Marktoberdorf und über Seeg nach Pfronten. Einige Sonnenlücken tun sich auf. Kurz nach Pfronten ist Brotzeitpause. Astrid äußert sich während ein paar Dehnungsübungen begeistert von Sitzkomfort und Windschutz. Ich fühle mich an eine Hochgeschwingigkeits-Autobahnfahrt aus dem Testlauf in 2012 erinnert.

Und ich bin auch wieder begeistert über das für das hohe Gewicht dennoch einfache Handling, dem selbst die gefüllten Koffer und das fast schon überladene Topcase nichts anhaben können. Lediglich im Stand spüre ich, dass die Maschine in Balance gehalten werden sollte. Kommt sie etwas schräg, muss ich schnell gegenwirken.

Weiter geht es Richtung Thannheimer Tal, das mit seinen wunderbaren Bergpanoramen schnell durchwedelt ist. Dann ein paar tempobegrenzte und laserüberwachte Kilometer im weitläufigen Lechtal bis zum Abzweig kurz nach Elmen hinauf zum Hahntennjoch. Das ist Motorradregion pur. Die Anzahl der Biker hat schlagartig zugenommen. Die linke Hand hat Dauereinsatz zum Grüßen – und auf der Bergpassage für die Kupplung.

Obwohl der 1600er Sechszylinder wahrlich gut von unten heraus drückt, erfordern die engen und steilen Kehren bei der K oft den ersten Gang, teilweise mit schleifender Kupplung. Ansonsten zieht er aus jeder Lage kraftvoll. Wir treffen auf eine Gruppe mit Reiseenduros, die einen flotten Strich ziehen und ihre Bremspunkte spät setzen. Mit der K kein Problem, dran zu bleiben. Fast schon leichtfüßig pendele ich hinterher. Die Bremsen lassen späteste Bremspunkte zu und bleiben auch heiß gebremst stets bissfest. So ist die Passhöhe auf knapp 1900 m schnell erreicht.
Es ist kühl und unwirtlich. Die Berge sind teils in Wolken gehüllt, sodass der sonst superschöne Panoramablick nicht möglich ist. Zügig erreichen wir nach der kurvenreichen, z.T. in Fels gehauenen Abfahrt Imst. Im kurz darauf folgenden Ötztal nutze ich wg. der vielen mobilen und stationären Blitzer den Tempomat. Eine echte Erleichterung, da die GT nur mit hoher Konzentration auf gleichem Tempo gehalten werden kann. Die kabellose Gasgriff-Drosselklappensteuerung „fordert“ bei kleinen Bewegungen Tempounterschiede von bis zu 20 km/h, die durch den starken Motor schnell erreicht sind. Bei flüssiger Tourfahrt ist das nicht immer gleich spürbar, aber in Österreich bereits teuer, wenn diese 20 Sachen das Limit überschreiten. Mit Tempomat kann ich bei den oft vorgegebenen 80 km/h Landschaft und Umgebung genießen.
Bei der Anfahrt auf das Timmelsjoch kündigen tief graue Wolken Antiwunschwetter an. An der Mautstation hat es gerade noch um die 8 Grad. Sitzheizung und Griffheizung und die passende Kleidung sorgen für Wohlbefinden auf der regnerischen Passage nach St. Leonhard, wo es zwar milder, aber nicht trockener wird.
Der Übergang am Jaufen ist in Wolken gehüllt. Es regnet in Strömen. Ich genieße die elektronischen Helferlein. ABS und Antischlupfregelung verhindern das eine oder andere Mal auf nassem abgeschmirgeltem Asphalt Rutscher, die sicher bei dem Gewicht unangenehm hätten sein können. Zudem vermittelt der verbaute Metzler Z8 ein hohes Sicherheitsgefühl auf den nassen Straßen.
Kurz nach dem Übergang kehren wir ein und lassen uns mit lecker italienischem Espresso und Kuchen verwöhnen. Eine Gruppe schwäbischer Radler wartet wie wir darauf, dass der Regen wieder aufhört. Sie berichten nichts Gutes, was das Wetter in unserer geplanten Richtung anbelangt.

Dann reißt es plötzlich auf. Wir starten freudig und gelangen über die kurvige Abfahrt Richtung Sterzing, um dann in der Ebene rechts hinauf Richtung Penser Joch abzubiegen. Der Asphalt bleibt in der unteren Region nass und rutschig. Weiter oben finden sich immer mehr trockene Abschnitte. Es ist wie eine Befreiung, plötzlich so viel Sonne zu spüren und die Panoramen genießen zu können. Der Sechszylinder lässt sich nicht lange bitten und schiebt uns souverän den Berg hoch. Die Stabilität und Leichtfüßigkeit der K unterstreichen unseren sportiven Ritt auf das Joch. Oben am Passübergang sind wir fast die einzigen, die kurz Rast machen und den genialen 360°-Rundblick genießen.

BMW K1600GT - Am Penser Joch
Am Penser Joch

Hinunter ins Sarntal kann ich es laufen lassen. Über der Baumgrenze saugen wir überwältigende Bergpanoramen auf bis uns die unteren Straßenabschnitte in Beschlag nehmen. Das Tal wird enger, die Anzahl der Tunnel nimmt zu. „Bozen, wir kommen!“ Italienische Musik tönt aus den klangstarken Lautsprechern im Radiobetrieb. Bei hoch angestellter Scheibe ist die Musik leicht bei fast Windstille mit offenem Visier zu genießen.
Es wird zunehmend wärmer und sonniger. Kurz vor Bozen halten wir gegenüber der eindrucksvoll auf einem Aussichtsfelsen gelegenen Bilderburg Runkelstein. 1237 das erste Mal erwähnt, wurde sie mit Szenen aus dem Leben bei Hofe und interessanten Geschichten aus der damaligen Literatur bemalt. So finden sich dort Terraverdemalereien von Tristan und Isolde und dem Ritter Garrel im Sommerhaus. Runkelstein ist bekannt für seine im Alpenraum wichtigsten und besterhaltenen profanen Fresken.

BMW K1600GT - Auf Tour in Italien bei der Burg Runkelstein
Burg Runkelstein

Wir entledigen uns unserer Wärme spendenden Pullis. Auch die lange Unterhose kann bei den angezeigten 25°C gerne im Koffer verschwinden. In Bozen landen wir inmitten klassisch italienisch geprägtem Verkehr. Nach kurzer Gewöhnungsphase reihe ich mich als Zweiradfahrer ein, um an Autoschlangen vorbei zu dümpeln. Allerdings können dies die hiesigen RollerfahrerInnen deutlich besser und dreister als ich, schränken mich die breit bauenden Koffer doch immer wieder ein.
Außerhalb finden wir in Frangart bei St. Michael bei einem Bauernhof ein Zimmer als Ausgangspunkt für unsere kommenden Touren. Zwei davon werden konkreter beschrieben.

Der Klassiker – die Dolomitenrunde

Strahlender Sonnenschein erwartet uns auf der Frühstücksterrasse. Der Tagesplan sieht vor, dass wir in die Dolos fahren. Schnell sind Getränke und etwas Brotzeit im Tankrucksack und dem großen Topcase verstaut. Die Koffer bleiben im Zimmer.
Erst mal raus aus Bozen. Das Navi ist eine große Hilfe in dem Gewusel. Der Sprit ist teuer, doch geht die GT damit einigermaßen sparsam um. Nach dem Eggental folgen wir dem Hinweis zum Karersee. Wunderschön, wie der See sich klar und tiefgrün vor alpiner Kulisse zeigt. Wir merken, dass wir uns in ein Touristengebiet wagen. Die Straßen werden voller. Radfahrer, Motorräder, Autos, ausgebuchte Busse und die immer im Weg „stehenden“ Wohnmobile, die meist durch ungeübte Wohnmobilisten gesteuert werden und ein scheinbar immerwährendes Sonderrecht haben, an unmöglichen Stellen einfach stehenzubleiben, um Landschaft anzuschauen. Die BMW hat glücklicherweise genügend Kraft, um uns auch auf kürzesten Straßenstücken diese Hemmnisse zu überholen zu lassen. Ein Segen, wie sie ihren Vortrieb spontan umsetzt und Fahrwerk mit Bremsen gleich drauf wieder für Sicherheit in den folgenden Kehren und Kurven sorgen.


Wunderschönes Panorama, klares tiefgrünes Wasser - der Karersee

Wir finden eine kleine Lücke am Motorradparkplatz oberhalb des Karersees. Trotz ihrer Ausmaße benötigt die weiß-blaue Sei kaum mehr Platz als andere Tourer. Der Seeblick ist voller Genuss. Und weiter geht es über den Karerpass hinüber nach Canazei. Hier schieben sich immer mehr Busse etc. durch die Kleinstadt, die gerne als Ausgangspunkt der berühmten Sellarunde (Sellajoch, Grödner Joch, Passo di Campolongo, Pordoijoch) genommen wird.

Wir biegen links hinauf zum Sellajoch. Sie kann auch in engen Kehren trotz ihres langen Radstandes überzeugen. Dazu mehr später. Bis nach Arabba kämpfen wir mit den autobahnänlichen Verkehrszuständen, können aber immer wieder die genial schönen Bergpanoramen der Dolos genießen. Mittendrin, nicht nur dabei. Ab Arabba nehmen wir Ri. Osten Kurs auf Cortina d'Ampezzo. Kurzer Halt auf dem Pso. di Falzárego, der sich über die wunderbaren Aufwärtskehren und dank gutem Belag schnell erreichen lässt. Für einen genialen Rundblick biegen wir nach links zum Pso di Valparola ab. Drei Kilometer weiter sind wir oben inmitten einer beeindruckenden steinwüstenähnlichen Landschaft mit 360°-Blick auf die Dolomitenstöcke.
Zurück cruisen wir mit Musik beschallt Richtung Cortina und biegen kurz davor zum Pso. di Giao ein.


Der Giao - überwältigende Ausblicke

Das Wetter scheint umzuschlagen. Es ziehen immer mehr dunkle Wolken heran. Erste Regentropfen und heftiger Wind kündigen den Wetterumschwung an. Der Wetterschutz der BMW leistet ganze Arbeit. Die Heizgriffe verhindern ein Auskühlen der Hände in den geliebten Sommerhandschuhen, die Antischlupfregelung einige Male ein Ausbrechen der Hinterhand beim Rausbeschleunigen aus rutschigen Kehren, die elektrisch verstellbare Scheibe in der obersten Stellung ein Auskühlen, da wir unsere Wind- und Regenschutzunterjacken nicht angezogen haben.
Kurz vor dem Übergang reißt es wieder auf und wir können unseren Espresso dopio bei Sonnenschein und genialer Fernsicht hinter der windschützenden Glaswand am Giaohaus genießen.

Dennoch rollt eine riesige dunkle Wand herbei. Donner kündigt echte Ungemütlichkeit an. Wir packen uns wetterfest ein. Kurze Zeit später geraten wir in ein heftiges Berggewitter und können uns auf dem Heimweg in Canazei unterstellen. Fünfzehn Minuten später setzen wir unsere Fahrt fort. Der massive Regen hat Schlamm auf die Straßen gespühlt. Einige Situationen, in denen ich um das ABS dankbar bin. Auch die Metzler Z8 interact halten wunderbar, solange der Asphalt nicht poliert ist. Die ersten trockenen Straßenstücke lassen mich wieder dreister ans Werk gehen. Es ist kalt geworden. Wir wollen nur noch ins warme Zimmer. Dann plötzlich wird es wieder schwarz. Wir sind mitten im nächsten Gewitter ohne Unterstellmöglichkeit. Ich stelle auf unterste Leistungsstufe um, da die BMW hinten immer wieder ausbrechen mag. Der Belag ist rutschig. Hinauf zum Karerpass kommen wir in einen heftigen Hagelschauer. Innerhalb weniger Minuten ist alles um uns plötzlich weiß, die Straße leicht bedeckt und meist noch griffig. Ich beschließe, einfach weiter zu fahren. Glücklicherweise hält die große Scheibe die z.T. 2 – 3 cm großen Hagelkörner von uns ab. Und plötzlich herrscht wieder Ruhe. Es regnet noch etwas, und ab dem Karersee können wir wieder auf fast trockenen Straßen fahren.

Milde Luft strömt heran. Und im Eggental beginnt es, richtig warm zu werden. Unglaublich, dass wir kurz vorher in weißer Landschaft unterwegs waren. So verpackt wie wir sind, wird es uns schnell zu warm. Ich lasse die Scheibe herunter und klappe die seitlichen Finnen vorne an der Verkleidung nach außen. Wunderbar leiten sie den Fahrtwind an uns – eine geniale Idee, bei einem Verkleidungskonzept nicht nur ans schlechte Wetter mit maximalem Schutz zu denken, sondern auch daran, dass es heiße Tage gibt, an denen man dankbar um jeden Windhauch ist.

Etwas abenteurlicher – Lombardei mit Pso. die Maniva/Spina

Der nächste Morgen verspricht bestes Wetter. Wir haben eine weite Tour vor uns in Richtung Lombardei. Zum „Warmfahren“ geht es gleich zuerst über meinen Lieblingspass, dem Mendel. Hier kann die K1600GT zeigen, was in ihr steckt. Leistung und Fahrwerksstärken lassen hohes Tempo zu. Ein Motorrad nach dem anderen lassen wir beim Aufstieg hinter uns. Selbst die aktuellen Bergboxer aus gleichem Haus haben zu kämpfen, können jedoch in der oberen Wedelstrecke ihre Wendigkeit ausspielen. Ansonsten scheint die K für diesen Pass gebaut worden zu sein. Genial die nimmer müden Bremsen, die selbst heiß gebremst weiter volle Leistung bringen. Das vermittelt Sicherheit.

BMW K1600GT - Auf Tour in Italien
Kurvenwedeln am Mendelpass

Später biegen wir auf die kleinen Nebenstrecken Richtung Molvenosee ab. Straßenführung und Straßenbreite wirken manchmal abenteuerlich. Ab Tione streben wir auf breiterer Straße durch gemäßigte Landschaften Richtung Idrosee bis nach Anfo. Am Ortseingang lenke ich die BMW rechts in die winzige Via S. Petronilla. Ein kleiner Hinweis zeigt an, dass sie die Zufahrt zum Pso. della Maniva ist. Die ersten Kehren auf Gemeindegebiet lassen erahnen, was uns nun erwartet. Die Straßenbreite reduziert sich außerhalb auf max. 2,5 m. Terrainbedingte Sichtweiten von unter 100 m lassen mich das Tempo herausnehmen. Jedes entgegenkommende Auto wird zum Platzproblem. So schraubt sich das Sträßlein schnell an einer Bergflanke empor. Kehren am Lenkanschlag folgen eine auf die andere. Mit Sozia lässt sich die K hier noch gut handhaben. Doch ist das Gewicht sehr schnell spürbar. Ebenso fällt mir in diesen Situationen eine kleine Verzögerung in der Gasannahme auf, was die Feindosierung in den Kehren massiv erschwert. So halte ich das Gas leicht offen mit schleifender Kupplung und bringe die Maschine mit der hinteren Bremse auf Spannung. Diese Fahrtechnik erweist sich auf den folgenden steil bergauf führenden Kehren als die entspannendste, da ich so die Gasverzögerungen und folglichen Lastwechsel vermeide.

Große Straßenaufbrüche, tiefe Wellen, Wurzelerhöhungen und viel Schmutz erfordern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Schön, dass ich das Fahrwerk per ESA-Knopfdruck auf „Comfort“ einstellen kann. Die Unebenheiten werden sauber eliminiert und geschluckt.
Weiter oben erhalten wir atemberaubende Landschaftsblicke bis hinunter zum Idrosee und über die z. T. bewaldeten Hügel der Lombardei. Und nach jeder Biegung öffnen sich weitere spannende Kalendermotive.

BMW K1600GT - Lombardei mit Idrosee
Ausblick über die Hügel der Lombardei mit Idrosee

Nach kurzer ebener Etappe passieren wir das Rifugio Rosa. Gegenüber besteht die Möglichkeit, mit einer leichten Enduro auf die ehemalige Geschützstation des Forte di Cima Ora hinauf zu fahren. Ein schmaler Geröllweg mit 2 super engen Kehren führen dort hinauf. Belohnt wird man mit einem vollkommenen Rundumblick in absoluter Ruhe. Fünf große Löcher in der meterdicken Stahlbetondecke zeigen den Platz und die Größe der ehemals gewaltigen Geschütztürme.

Nichts für die K1600GT. Dafür ist sie nicht gebaut. Wir fahren weiter und erreichen nach einer scharfen Rechtskurve um einen nackten Fels den ersten Tunnel vom Pso. della Spina. Jetzt wird es richtig interessant. Steil führt das Gelände gleich neben der ungesicherten Straße für mehrere hundert Meter in die Tiefe. Berauschend der Ausblick in das schroffe Gelände. Besser, hier keine Höhenangst zu haben. Insgesamt führt die Strecke durch drei einfache unbeleuchtete Tunnels. Der erste ist „renoviert“, die beiden anderen im Urzustand. Auf der Straße liegen dicke Steine.

BMW K1600GT - am Pso. della Spina
Am Pso. della Spina - etwas Abenteuer - viel Genuss

Nach dem letzten Tunnel ist der Fahrweg erfreulich sauber. Vor einigen Jahren hatte ich meine Maschine auf einer kleinen Schneise durch Geröll hindurch zu balancieren, teilweise am Abgrund entlang. Aber heute ist die Bahn bis auf ein paar heruntergefallene Steine frei. Wir halten an, um diesen Fleck Erde zu genießen. Welch tolle Ausblicke, welch atemberaubender Felsabriss links, welch Felsüberhänge rechts über uns. Hier schlängelt sich der enge Rest einer Straße am steilen Fels entlang, z.T. umrahmt von Steintürmen auf beiden Straßenseiten. Gleich danach wechselt der löchrige Straßenbelag zu sehr grobem Schotter. Der Fahrweg weist tiefe Auswaschungen auf und ich spüre, dass ich diese schwere Tourenmaschine gerade gerne gegen eine leichte Reiseenduro eintauschen würde. Meine Sozia verliert ihre Ruhe und klagt darüber, dass ihr diese Art von Routenwahl entlang am Abgrund im Moment Angst bereite.

Die K erfordert auf diesen paar Schotterkilometern einen anderen Umgang. Sie möchte mit Gas auf Zug und immer in Fahrt gehalten werden. So fällt das langsame Balancieren zwischen scharfe Schottersteinkanten hindurch nicht schwer. Schließlich haben wir das Stück geschafft. An einer Bank halten wir und genießen diese Landschaft, die ich teilweise faszinierender als die Dolomitenpanoramen empfinde. Und – hier genießt man alleine. Wir haben bereits seit über 30 min keinen Menschen angetroffen. Totale Ruhe. Fast andächtig saugen wir diese Stimmung auf.

Ruhe pur
Ruhe pur

Es geht weiter. Wir steuern den Passo di Croce Domini an. Eine relativ breite Straße führt hinauf bis zum Übergang auf festgefahrenen Schotter. 20 km davon folgen nun – teilweise mit tiefen Auswaschungen, teilweise mit ausgedehnten Schlaglochstrecken. Dafür ist die K auch nicht unbedingt ausgelegt. Aber ich weiß von früheren Touren, dass das auch im nassen Zustand und Straßenbereifung mit einer alten BMW K 100 RS durchaus machbar war. Und die Belohnung dieser kleinen Strapazen sind die Ausblicke, die totale Ruhe beim Anhalten.

BMW K1600GT - am Croce Domini - totale Ruhe
Kurz vor dem Croce Domini

Nach dem üblichen Passfoto steuern wir Richtung Bagolino und machen uns auf den fast schon entspannenden Weg über 160 km zu unserem Zimmer. Hier zeigt die K zum wiederholten Mal, wie toll sie sich auf den kurvigen Sträßlein fahren lässt. Wir haben es eilig, haben Hunger, wollen vor Eintritt der Dunkelheit ankommen. Ich gebe der BMW entsprechend die Sporen, was sie klaglos annimmt. Der Mendelpass setzt schließlich noch ein Spaß-i-Tüpferl ans Ende dieser abwechslungsreichen Tour. Knapp über 400 km waren wir unterwegs auf unterschiedlichsten, teils grenzwertigen Strecken. Auch wenn die Tour ein Maximum an Aufmerksamkeit erforderte, steigen wir dank der guten Sitzpositionen entspannt von der Maschine.

Heimfahrt – Fazit
Die Heimfahrt führt uns wieder über die Pässe … Penser, Jaufen, Timmelsjoch. Im Ötztal kündigt eine schwarze Front unangenehmes Wetter an. Starker Regen, Wind und kühle Temperaturen fordern ihren Tribut. Ab Imst entscheiden wir uns für die schnellste Strecke heimwärts. Wir sind dick eingepackt. Hinten kocht die Sitzheizung das Sitzfleisch von Astrid weich. Vorne nutze ich die Unterstützung der wirksamen Heizgriffe. Mit hoch angestellter Scheibe erreichen wir Deutschland. Auf der Autobahn gebe ich Gas. Linke Spur, kaum ein Auto, das an uns vorbei möchte. Die drei Scheinwerfer schinden Eindruck. Kaum ein Auto, das vor uns nicht die linke Spur frei macht. Ich kann hohes Tempo gehen. 180 km/h sind ohne Probleme möglich. Es wird dunkel, langsam auch trocken. Der Tacho zeigt inzwischen bis zu 240 als Reisetempo an. Das Licht der Zusatzscheinwerfer ergänzt die Lichtfläche des Xenonbrenners wunderbar in die Breite. Eine große helle gleichmäßige Leuchtfläche, die bei Bedarf durch wirksames Fernlicht ergänzt wird. Das Kurvenlicht tut sein übriges, dass wir trotz Dunkelheit mit zügigem Tempo heimkommen können. Was für eine Fahrt, was für ein Motorrad.

Die Tour bestätigt meine Eindrücke der Testfahrten im Teil 1. Sie ist bequem, sicher, stark, für ihre Größe und ihr Gewicht sportlich. Touren macht mit ihr richtig Spaß. Selbst unschöne Autobahnetappen erweisen sich dank wirksamem Windschutz und tollem Fahrwerk bis Vmax als Genuss.
Die Tour mit hunderten von Kurven und aller Art von Straßenbelägen, mit sportlichen als auch genießerischen Einlagen, hinterließen fast immer den Eindruck, auf dem richtigen Motorrad unterwegs zu sein.
Überragend die Elastizität des 6-Zylinders. Genial das Fahrwerk und das Handling. Touristisch der Sitzkomfort. Innovativ und eine echte Bereicherung das adaptive Kurvenlicht.