KTM 690 Duke R



Dampfhammer
Fahrbericht KTM 690 Duke R
(Stand: 09/2010)

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, S. Frühsammer



Ich erinnere mich noch gut an die Zeit vor gut 30 Jahren, als man die Yamaha SR 500 liebevoll „Dampfhammer“ nannte. Mit ihren 27 PS war man mit ihr gut unterwegs. Vor allem von unteren Drehzahlregionen vermochte sie gut heraus zu beschleunigen.

Die Zeiten ändern sich. Vor mir steht ein neuer Dampfhammer. Die KTM 690 Duke R. Mit echten 690 ccm hebt sie sich von den „normalen“ 690er KTMs ab. Schließlich wurde bei Ihnen im Namen um 36 ccm übertrieben. Sowas kennt man, wenn man den Motorradmarkt durchforstet. Und wenn man nach Beispielen für Hubraumabweichungen im Vergleich zum Namen sucht, landet man schließlich kopfschüttelnd bei einer bajuwarischen Twin mit knapp 800 Kubik, die jedoch im Namen nur 650 davon nach außen tragen darf.

Zurück zum Dampfhammer aus Mattighofen. Kurz ein paar Eckdaten, dass wir wissen, womit ich mich 2 Wochen auseinander gesetzt habe:
  • Echte 70 PS bei 7500 U/min
  • Echte 690 ccm
  • Ein echter Einzylinder
  • Echte 70 NM bei 5500 U/min
  • Echtes fahrfertiges Kampfgewicht von nur 160 kg
  • Wartungsintervalle alle 7500 km

Die Unterschiede zum gemogelten 690er Motor:
  • 36 ccm mehr Hubraum durch
  • 84,5 mm Hub (= ein Mehr von 4,5 mm) und
  • gleicher Bohrung von 102 mm
  • Kolben ist auf speziell beschichtetem Bolzen gelagert
  • Neues Pleuel und neue Kurbelwelle
  • Mehr Verdichtung (+ 0,7) auf 12,5:1
  • Verwendung von Natrium befüllten Hohlschaftventilen auf der Auslassseite zur Reduzierung der Wärme am Ventilkopf um 80 – 150 ° C

Ich muss 87,5 mm Sitzhöhe erklimmen, um auf der Duke R Platz zu nehmen. Und ich hab sofort das Gefühl, ich kenne die Maschine. Alles hat ergonomisch seinen Platz erhalten. Durch die schmale Taille erhalte ich einen kleinen Ausgleich zur Sitzhöhe. Wobei die Duke R sowieso schon sehr schmal und hoch baut. Deftige Schräglagen sind da schon vorprogrammiert. Aber erst Mal langsam.

Ich lasse mir in Ursensollen vom Werkstattmeister des Importeurs die 3 Fahrmodi bzw. deren Einstellung erklären. Ein mit einer großen Gummikappe abgedeckter 3-stufiger Drehschalter, den ich durch den Gitterrohrrahmen auf Höhe des hinteren Bremsflüssigkeitsbehälters erreiche.
Modus 3 ist der Modus, bei dem der Motor pur und direkt alles ans Hinterrad schickt. Modus 2 wirkt gedämpfter, ist aber effizienter im Durchzug. Und Modus 1 – mhh, nun ja, den gibt es halt auch – mit eingeschränkter Leistung – aber wer will den einschalten auf einem Dampfhammer wie der Duke R??
Die Änderung der Gasannahme übernehmen je nach Mudus die elektronisch gesteuerten Drosselklappen.

Ich wähle für den Anfang mal …. was sonst ... den Modus 3! Ich will wissen, was geht. Also – Startknopf gedrückt mit hoher Erwartung. Ja, und dann bin ich erst Mal enttäuscht. Ich erwartete ein wildes derbes Bullern aus dem schwerpunktgünstig unter dem Motor montierten großen Auspuff. Dagegen hört sich die Duke R sehr gesittet an. Schon sportlich, aber so, dass ich wiederum beruhigt in jede Verkehrskontrolle fahren kann.

Raus aus dem Hof, rauf auf die kurvigen oberpfälzischen Landsträßlein Richtung Mittelfranken und dann heim zu mir. Die Duke R weist mich mit deutlichem Kettenschlagen darauf hin, dass ich gefälligst über der 3000 U/min-Marke bleiben soll, dass ich ihr lieber die Sporen gebe als sie touristisch frühzeitig durchzuschalten.
Das braucht man mir nicht zwei Mal zu sagen. Und schon geht die Hatz los. Viele Kurvenkombinationen und sehr welliger geflickter Belag gleich zu Anfang fordern das Fahrwerk – nein, mehr mich, denn die Duke R ist sehr hart eingestellt. Ich halte an und beginne, am voll einstellbaren Federbein mit der Dämpfung zu „spielen“. Die Stellbereiche wirken sich Klick für Klick spürbar auf das Fahrverhalten aus. Nach einigen Stops hab ich das Federbein und die voll einstellbare 48er Gabel an meine Wünsche angepasst. Nun wirkt die Duke R schon fast komfortabel, ohne bei harter Gangart an Stabilität zu verlieren. Genial, wie ich finde! Sie lässt sich äußerst präzise einlenken, bleibt bei jeder straßenbautechnischen Bosheit linientreu und wirkt nicht übersensibel, wie man es bei der supermotoähnlichen Fahrwerksgeometrie vermuten könnte. Auch auf sehr schnellen Passagen um die 180 km/h erlebe ich keine Anzeichen von Nervosität. Im Gegenteil, trotz vollem Winddruck an den Schultern bleibt die sportliche Kati stoisch im Geradeauslauf.

Und wie das Spaß macht, diesen herzöglichen Landstraßenräuber durch die Landschaft zu treiben. In Verbindung mit den serienmäßig verbauten Dunlop GPR Alpha 10 scheint die Maschine schier auf dem Asphalt zu kleben. Unglaublich, in welche Schräglagenregionen ich mich vorwagen kann ohne auch nur einen Zucker vom Fahrwerk rückgemeldet zu bekommen. Das macht Lust auf mehr, bringt mich auf wagemutige Gedanken …

Modus 3 – der Motor hämmert bei jedem Millimeter Gasdreh direkt los und drückt, wie von geheimen Kräften genährt, brachial nach vorne in Richtung Drehzahlzenit bei 8000 U/min. Da steckt Leben unter mir. Da giert alles nur noch nach direktem Vortrieb. Und der anfänglich feine Sound erhebt sich plötzlich ab ca. 4500 U/min zu einem Geräuschteppich aus heftigem Ansaugröcheln und deutlichem Einzylinder-Bullern. Wow.

Das muss man sich nun in der Gesamtheit vorstellen:
Ich sitze in aufrechter Kampfhaltung, dreh das Gas auf, erhalte einen derben, von der beschriebenen Klangkullise untermalten Schub nach vorne und kann mit dem Fahrwerk jede von mir gewollte Linie einschlagen. Ich glaube, mein Grinsen war noch nie so breit und langanhaltend. Ich glaube, mit so viel Leichtigkeit und Entspanntheit habe ich selten ein Motorrad so schnell über Straßen jeder Gattung getrieben.

Dazu ein kurzes Erlebnis, das diesen Zustand am Besten beschreibt:

Ich fahre auf einer langen, sehr kurvigen Landstraße in den Stauden westlich von Augsburg immer mehr auf eine Ducati auf. Nicht das der Ducatisti bummelt. Aber ich bin nach und nach herangekommen. Nach einer Ortschaft, die wir gemeinsam durchfahren, reißt er das Gas auf. Ich lasse auch die Duke R rennen. Gut – 70 PS gegen 120 PS – da schauen wir der Duc hinterher. Dann nach der Geraden kommt eine scharfe Rechtskurve. Der Ducatisti legt sich Hanging Off rein, schleift mit dem Knie. Ich hole mit der KTM auf, habe das Gefühl, dass er mir eigentlich im Weg „steht“, ziehe die Duke R in der Kurve mit einem leichten Linksschlenker neben ihn und überhole ihn auf der Außenseite. Das Ganze passiert mit der KTM wie selbstverständlich, ohne Schlenker oder Zuckungen im Fahrwerk. Da ist noch lange keine Grenze erreicht.

Nach diesen sehr sportlichen Erfahrungen schalte ich in Modus 2 – dem „Tourenmodus“. Die Kati geht sanfter, jedoch nicht weniger vehement ans Gas. Ab ca. 4500 U/min wirken beide Einstellungen ähnlich, obwohl in Durchzugtests die Duke R im Modus 2 deutlich bessere Werte zeigte. Und ehrlich – die Duke R macht gerade in den mittleren Drehzahlregionen am meisten Laune. Da hämmert der Einzylinder und zerrt an der Kette, dass es nur so eine Freude ist. Obenraus wirkt er dann etwas zäher.

An der Tankstelle komme ich auf Verbrauchswerte um die 6,5 Liter/100 km.

Was gibt es sonst noch zu berichten?
Die Rückspiegel zeigen vor allem meine Arme und Schultern – und das noch durch die Vibrationen deutlich verzerrt. Die Vibrationen halten sich für einen solchen Dampfhammermotor jedoch deutlich in Grenzen. Sie sind deutlich spürbar, aber nicht tonangebend oder nervig. Schließlich gehört bei einem solchen Fahrgerät dazu, dass ich merke, wie es unter mir arbeitet.
Dank Anti-Hopping-Kupplung bleibe ich während des Testzeitraums von gefährlichen Hinterradrutschern beim Zurückschalten in Kurven verschont. Die Rutscher produziert die Duke R nur bei kaltem Reifen beim Beschleunigen in Schräglage in den unteren Gängen. Der Dunlop benötigt deutlich Temperatur, bis er wirklich hält. Das macht der superweiche Reifen dann vorzüglich, allerdings auch mit deutlichem Gummischwund. So schaffe ich es gerade mal, die Maschine mit nicht mehr ganz legaler Profiltiefe nach 1000 km nach Ursensollen zu fahren. Das ist ein teurer Spaß, was die Originalbereifung angeht. KTM Deutschland will das mit dem Reifenhersteller klären.

Und die Bremsen? Passend zum Rest der Maschine verbaute man vorne einen Radial-Vierkolbenfestsattel von Brembo mit einer Magura-Radialpumpe und eine 320er Scheibe, hinten eine 245er Scheibe mit Einkolben-Schwimmsattel. Mit 2 Fingern bin ich in jeder Situation gut gewappnet. Aufgrund der weit nach vorne ragenden Sportsitzbank sitze ich meist vorderradorientiert und produzierte so den einen oder anderen Stoppie. Die Duke R hebt nun mal beim extremen Bremsen sehr gerne die Hinterhand.

Fazit:
Die KTM 690 Duke R – der Garant für herzöglichen Spaß auf der Landstraße. Selten zuvor hab ich ein derart perfekt auf Kurvenspaß gefertigtes Motorrad gefahren. Die Duke R zeigt, dass man für knapp 9500 € sehr sicher Genuss und Spaß auf höchstem Niveau erleben kann – und das mit gerade mal 70 PS, die jedoch allesamt munter und heißblütig auf ihren Auslauf gieren. Das Gesamtkonzept wirkt souverän und konsequent auf Sport und Spaß umgesetzt. In Sachen Schräglagenfreiheit thront die Duke R ebenso bei den Besten. Nun gilt es nur noch, sich als Fahrer dieses Sahneteils soweit im Griff zu haben,
dass sein Führerschein weiterhin bei ihm bleibt.