Kawasaki Z 1000



Reinkarnation
Fahrtest mit der neuen Kawasaki Z 1000
(Stand: 08/2002)

Text: Ralf Kistner
Bilder: Ralf Kistner, G. Schöllhorn, G. Kistner, R. Heidelberger


Es schloss sich wieder ein Kreis für mich, als ich Ende letzten Jahres die Ankündigungen der neuen nackten Kawasaki Z 1000 las. Die erste Z 1000 war schließlich die Maschine über 1,5 PS, auf der ich meine ersten Runden drehte. Mit meinen damals noch zarten 17 Lenzen war ich den Anzug einer Hercules M2 mit 49 ccm und Automatikkupplung gewohnt. Mein Freund Hans war im Besitz der Z 1000 - und so kam es, dass ich auf und neben der Maschine mit meiner kleinen Schwester für Fotos posierte und fatalerweise der Zündschlüssel steckte. So grinste ich Hans an und drehte den Schlüssel auf Zündstrom. Hans nickte kurz mit einem wissenden Grinsen im Gesicht. Ich startete und flog los - ohne Lappen und ohne Helm. Das waren Glückshormone, die Frankensteins Tochter in mir freisetzte. Ich dachte für kurze Momente, sie würde mir die Arme ausreißen, wenn ich ihr die Sporen gab. Woooowwwwww.
Ab der Zeit war der Virus gesetzt und mir war klar, dass ich irgendwann einmal im Leben selbst Motorrad fahren werde.

Diese Erinnerungen kamen sofort hoch, als ich die Bilder dieser Z 1000 sah. Genauso spektakulär wie damals tritt sie in Erscheinung. Eine nackte Kurvenfresserin, die mit viel Power im Gepäck die Bezeichnung "Z 1000" mit Würde trägt und bereit ist, sich und ihren Fahrer wirksam in Szene zu setzen.

Ich bekomme in der Werkstatt bei Kawasaki Deutschland in Friedrichsdorf meine kawa-grüne Z übergeben. Die Leute haben ein Grinsen im Gesicht. Als ich sie darauf anspreche, informieren sie mich darüber, dass erst einer der Kollegen mit der Z auf der Rennstrecke bei einem Training den vollverschalten Knieschleifern ordentlich um die Ohren gefahren sei. Mir selbst war das schon klar, nachdem ich mich im Vorfeld seit Erscheinen der Z 1000 über ihr Innenleben ausführlich informierte.

Sie steht da und stellt für mich eine Mischung aus Streetfighter und klassischem Naked dar. Da scheiden sich aber die Geister, wie ich in vielen Gesprächen mit Händlern und Bikern erfahren konnte. Das ist aber auch nicht so relevant, wie ich finde, denn schließlich ist es ja egal, in welche Schublade ich die Z 1000 stecke. Sie wird immer das selbe Bike bleiben.

Kawasaki verwendete einen massiven, aber klassischen Rohrrahmen (Diamondframe) ohne Unterzüge, den sie hinter Plastikverkleidungen versteckten, so dass man meinen könnte, es handele sich um einen Alu-Brückenrahmen. Der Vierzylinder entstammt in Grundzügen von der ZX-9R.. Etwas Aufbohren brachte exakt 953 ccm Hubraum - also keine waschechte 1000er, die uns durch die Typbezeichnung vorgegaukelt wird. Auch egal, denn wenn man die ersten Runden auf der Z über hügelige Landstraßen dreht, sind die fehlenden 47 ccm schnell vergessen. Aber dazu später.

Dem Fahrwerk spendierte man Komponenten aus dem Sportlersektor. Vorne eine massive USD-Gabel, hinten das kawatypische Zentralfederbein mit Uni-Track-Hebelei. Dazu polierte Felgen mit lackierten Speichen. Das Sitzmonocoque mit seinem markant blickenden Diodenrücklicht entspricht dem der kleinen Schwester ZX-6R..

Ja, und dann ist da noch die Auspuffanlage, die im Design an die vier Rohre der guten alten Z 900 (aber auch der Z 1000, denn viele Eigner rüsteten die Zwei-Rohr- in eine Vier-Rohr-Anlage um) anknüpft. Das ist sofort erkennbar und nachvollziehbar. Aber auch hier scheiden sich die Geschmäcker, denn den einen sind die Rohre zu dünn, die anderen finden sie passend ins Gesamtkonzept der Maschine.

Ich nehme auf der grünen Lady Platz und bin beeindruckt, wieviel Wohlfühlpunkte ich schon jetzt vergeben kann. Nach vorne orientiert ist die Sitzposition angenehm entspannt mit nicht allzu spitzem Kniewinkel. Der nicht übermäßig breite Lenker lässt mir die Z in sich noch kompakter erscheinen. Alles sitzt ergonomisch günstig. Die Hebeleien sind bremsseitig einstellbar. Die Instrumente wirken kompakt und auf mich etwas zu verspielt. Nicht, dass sie nicht mit äußerst vielen Informationen aufwarten können, nur ist dieser LCD-Drehzahlmesser äußerst gewöhnungsbedürftig. Aber ich weiß, auch das ist Geschmackssache.

Mit etwas Choke springt sie sofort an und brummelt leicht heiser unter mir vor sich hin. Nach ein paar Metern kann der Choke wieder herausgenommen werden. Die Z läuft ruhig und seidig und versprüht mit ihrem röhrig-heiseren Sound das Gefühl von Kraft und versteckter Wildheit.

Schon im Stadtverkehr kann ich spüren, dass die Kawa mir sehr gut passt. Die Knie schließen sauber mit dem Tank. Die Sitzposition unterstützt leichtes Handling und gute Übersicht im Straßenverkehr.

Dann die Autobahn Richtung Frankfurt. Ich ziehe die Z schon auf der Beschleunigungsspur im zweiten Gang hoch und muss schnell schalten, da sie ab 8000 Umin schon fast in den Begrenzer springt. Dabei geht sie wirklich heftig zu werk. Sie zieht und zieht und - ja - da ist es wieder, dieses Gefühl, das ich schon auf der alten Z 1000 verspürte. Längere Arme und Glückshormone.
Aber die längeren Arme kamen nicht nur vom kräftigen Anzug, sondern ab 160 km/H vor allem auch vom Fahrtwind. Windschutz auf der Z 1000 war für die Konstrukteure offensichtlich kein Thema, denn ich bin dem Tornado ungeschützt ausgesetzt. So mag eine Vmax von 245 km/H (Herstellerangabe) auch eher ein theoretischer Wert sein, denn ich frage mich, wann man das ausreizen möchte?
Bei Dauertempo 150 mit Spitzen bis zu 235 km/H freue ich mich ehrlich gesagt auf die Landstraßen quer durch den Odenwald über das Jagsttal bis zu mir ins Ries, denn als Autobahnheizer geht die Z wirklich nicht durch.

Soll sie auch nicht, denn es sind die Landstraßen - und -sträßlein, für die die Z 1000 eindeutig konzipiert wurde. An Amorbach vorbei geht es Richtung Kailbach. Eine schöne Strecke, um sich ein wenig "warm" zu fahren, was zügiges Kurvenwedeln abelangt. Dann ein Abstecher hin und zurück auf die Strecke nach Beerfelden. Die Reifen (BT 012 in Ausführung J) beginnen, aufzureißen und Popel zu werfen. Die Z lässt sich absolut spielerisch und sicher durch so ziemlich alles dirigieren, was mit Asphalt durch Landschaften gebaut ist. Der Zustand der Teerdecke spielt dabei eine eher sekundäre Rolle, denn die Grundeinstellung des Fahrwerkes lässt sie viele Unebenheiten wegschlucken. Wellen in Schräglagen beantwortet sie wegen des 190er Hinterreifens mit leichtem Aufstellen ohne instabil zu wirken.

Es ist dann der Moment gekommen, als ich mich mit ihr so richtig verwachsen fühle und beginne, die Heimfahrt zur Genussfahrt werden zu lassen. Da sind diese langgezogenen Jagsttalkurven, die sie ohne Mucken einfach hinnimmt und mir signalisiert, ich solle doch endlich mal richtig an der Rolle drehen, dass sie mir zeigen kann, zu welchen Schandtaten sie eigentlich in der Lage ist. Nach innerer Widerwehr erliege ich doch in manchen Passagen der Versuchung und lasse die Kawa so richtig fliegen. Wieder Glückshormone, aber keine langen Arme mehr, da ich mich mittlerweile mehr in als auf die Maschine gesetzt habe. Der Höcker bietet mir nach hinten guten Halt.

Eigentlich bin ich der Aufrechtsitz-Knieamtank-Typ. Auf mehreren Ausritten ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich beim Anfahren schneller Kurven beginne, auf dem Polster hin und her zu rutschen und das Bein andeutungsweise abspreize. Hey, was macht diese Lady mit mir? Ich glaube, es ist jeder Ausritt sowas ähnliches wie der Ritt auf der rosa Wolke.
Obwohl sie bis 3000 Umin etwas unwillig und verzögert die Gasbewegungen in Vortrieb umsetzen mag, ist sie ab 3000 Umin voll und direkt da. Sie hechelt förmlich nach eindeutigen Gashandbewegungen, um sich austoben zu können. So wartet sie mit ansehnlichem Anzug bis 8000 Umin auf, um dann zur Belohnung bis zum Begrenzer in einen echten Schlusssprint überzugehen. Schön, dass die Lastwechsel kaum ins Gewicht fallen und die direkte Gasannahme immer gut beherrschbar bleibt. Sicher ein Verdienst der neuen Einspritzanlage. Zwei Drosselklappen pro Einlass regeln die Gemischmenge, wobei eine computer- und einspritzelektronikgesteuert durch einen Stellmotor betätigt wird. Mehr Drehmoment von unten raus soll die spürbare Folge sein, wobei eine 9er Ninja auch nicht weniger Durchzug von unten raus aufbringt.

127 PS bei einem Drehmoment von 96 NM bei 8000 Umin bei 207 kg Kampfgewicht lassen Zweifler an sich zweifeln, denn diese Kombination ist ein wichtiger Teil dieses Funbikes.
Spaß beim Motorradfahren kommt bekanntlich nicht nur vom Motor her. Das Gesamtkonzept muss in sich stimmig sein. Die Komponenten müssen miteinander harmonieren. So lässt sich die Kawa verwindungssteif durch so ziemlich alles bewegen, was andere Moppeds schon aus der Ruhe bringt. Der Rahmen und das Fahrwerk wirken passend zum Triebwerk.

Und die Bremsen sind das i-Tüpfelchen obendrauf. Verhalten sich die vorderen Stopper im Normalbetrieb eher zurückhaltend und mit einem Maximum an Dosierbarkeit, beißen sie bei Bedarf so massiv zu, dass die Maschine mit ca. 10 m/s2 satt und stoppieverdächtig zum Stand verzögert wird. Das ist wirklich einmalig, wie diese Bremse alle Gangarten von sanft bis knallig beherrscht.

Fazit:
Mit der Z 1000 ist den Jungs von Kawasaki ein Meisterstück gelungen. Ein Motorrad mit hervorragender Laufkultur und kantigem Charakter. Ein Bike für die Tour genauso wie für den schnellen Ritt über die Hausstrecke. Ein Mopped, mit dem alle Gangarten auf Asphalt möglich sind. Ein Allroundbike mit maximalem Spaßfaktor und sportlichen Ambitionen. Hochwertige Verarbeitung und ein stimmiges Gesamtkonzept sind schon immer die Voraussetzungen für einen Kassenschlager gewesen. Und wenn man die Verkaufszahlen betrachtet, so hat die Z 1000 mittlerweile heftig eingeschlagen. Sie verkörpert ein Motorrad, auf das anscheinend viele lange gewartet haben.