Kawasaki ZRX 1200



Kraftmeier
Die Kawasaki ZRX 1200 S im Alltag und auf der Rennstrecke
(Stand: 05/2002)

Text/Fotos: Ralf Kistner

Kawasaki brachte für dieses Modelljahr eine Klicken zum GroßbildNeuauflage ihres Naked-Klassikers ZRX 1100 auf den Markt. Es mag nicht verwundern, denn im Vergleich zu den Naked-Klassikern der Konkurenz lag die starke 1100er in den Zulassungszahlen auf Platz 45. So machten sich die Leute bei Kawasaki ans Werk und hauchten der neuen ZRX einiges an Kraft und Umbau ein.
Am auffälligsten für den oberflächlichen Betrachter sind die nun drei Modellvarianten: eine ZRX ohne Verkleidung, eine ZRX 1200 R mit der bekannten eckigen Lenkerschale, und schließlich als Novum die ZRX 1200 S mit einer Halbschale, die optisch irgendwie angebaut, aber nicht so recht dazugehörig wirkt.

Für meinen Test bekam ich eine ZRX von der Firma KDH in Dinkelsbühl zur Verfügung gestellt, wofür ich mich 10an dieser Stelle nochmals bedanken möchte. Ich hatte die Gelegenheit, die Maschine im Alltag als auch mit Sliks auf der Rennstrecke in Brünn im Rahmen eines Fahrertrainings genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die Maschine ist schon eine massige Erscheinung. Der Motor im Magnesium-Outfit wirkt riesig und bärig. Er kündigt optisch Kraft im ausreichenden Maß an. Im Vergleich zur 1100er veränderten die Jungs bei Kawa die Zylinder durch Aufbohren und Beschichten. Motorgehäuse, die Kurbelwelle, Pleuel Kolben und Zylinderkopf bekamen neben dem Ölkreislauf ebenfalls eine Rosskur.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 1164 ccm und 122 PS. Das max. Drehmoment liegt bei 112 NM bei 7000 Umin. Wie wirkt sich das in Zahlen Geschriebene auf der Piste aus? Nun, um es gelinde auszudrücken: satter Vorschub in jedem Drehzahlbereich. Dabei ist es unwichtig, in welchem der 5 Gänge ich die Kawa bewege. Sie zieht und zieht und zieht. Sie prescht nach kleinen Drehbewegungen der rechten Hand geradlinig im Krafteinsatz nach vorne. Mit steigender Drehzahl drückt sie dabei mehr und mehr in Vorwärtsrichtung.

In Brünn halte ich sie zwischen 6500 und 10000 Umin und kann dadurch mit der Konkurenz einigermaßen mithalten. Das verwundert mich, da die ZRX ja nicht gerade zu den Leichtgewichten zählt. Das spricht für die Leistungsentfaltung, zu der dieser Motor in der Lage ist. Nicht umsonst zählt sie derzeit zur stärksten Naked-Vierzylinder. 3,2 Sekunden auf 100, 6,8 Sekunden von 50 auf 120 sprechen ihre eigene Sprache.
Mir gefällt vor allem der Antritt in jedem Drehzahlbereich. Egal ob sanft oder aggressiv, mit dem Motor habe ich das gesamte Spektrum zur Verfügung, um meinen Launen und der jeweiligen Tagesform gerecht zu werden.

Klicken zum GroßbildSchade nur, dass die Kawa für ihre Arbeit mit relativ viel Sprit aus der Säule belohnt sein will. 7,5 - 9 Liter Normalbenzin im Alltagseinsatz sind nicht mehr ganz zeitgemäß, wie ich finde. Auf der Rennstrecke nahm sie sich gute 11,5 Liter zur Brust, was jedoch logisch ist, da sie hier ja beständig an ihrer Leistungsgrenze bewegt wurde. Positiv empfinde ich das verbaute Sekundärluftsystem und den ungeregelten Kat. Die ZRX gehört trotz aller Power nicht zu den Bikes, die man immer nur zu schnell bewegen "muss". Es ist schon genug, dahinzugleiten und zu wissen, dass man ja könnte, wenn man nur wollte ...

Ich habe es eben schon erwähnt: die Kawa hat 5 Gänge. Und die reichen vollkommen aus. Sie sind dem Motor adäquat gestuft, so dass man sie ZRX immer gut im Drehmomentbereich bewegen kann, wenn man möchte. Andererseit kann sie auch schaltfaul fast wie ein hubraumstarker Twin gefahren werden. Im 5. Gang nimmt sie ab 35 KmH ohne Mucken Gas an und zieht bis zur Höchstgeschwindigkeit Verkleidung von vornevon gut 220 KmH durch. Das Schalten selbst geht etwas hart. Zwischen dem 2. und 3. Gang kam ich öfter in den Zwischenleerlauf beim Hochschalten. Runterschalten ging immer ohne Probleme.
Wenn ich mich an eine Z 900 oder Z 1000 zurück erinnere, war es damals Usus, dass die Motoren dieser Klassiker für die verbauten Rahmen und Fahrwerke viel zu stark waren. Musste man damals für mehr Stabilität größere Eingriffen am Fahrwerk vornehmen, bekommt man heute Bikes, die in jeder Beziehung ein rundes Bild abgeben.
So auch natürlich die ZRX 1200 S. Um den Motor verbauten die Kawaschrauber schwarzes Rundrohr aus Stahl. Die klassische Doppelschleife eben.

Das ist eine Schwinge ...

Die Schwinge ist ein echte Hingucker. Aus feinstem Alu schmiedete man der ZRX eine stabil anmutende Dreiecksverbundschwinge. Zwei konventionelle, jedoch voll einstellbare Federbeine sorgen für den notwendigen Fahrbahnkontakt.
Vorne kommt eine in Zug- und Druckstufe einstellbare 43er Gabel zum Einsatz. Alles gute Voraussetzungen für eine Straßenlage, die auch sportlichen Einsatz der Maschine unterstützt. Stimmt! Die Kawa liegt in jeder Lage spur- und seitenstabil. Ich hatte gleich Vertrauen in das Fahrwerk geschöpft. Die Kawa ist sowohl für Tour als auch für flotte Fahrt auf der äußersten Rille ausgelegt. Sie schluckt feine Unebenheiten fast komplett weg. Harte Stöße gibt es praktisch keine.
Schade nur, dass sie in Schräglage auf Bodenwellen mit dem Heck zu stempeln beginnt, wenn man sich im Grenzbereich aufhält. Das war wirklich ein kleiner Wehmutstropfen, der ab und zu die Linie störte. Ansonsten kann ich über das Fahrwerk nur Gutes berichten. Sicherlich das Ergebnis der individuellen Einstellmöglichkeiten, die für Jeden für jede Einsatzmöglichkeit eine Einstellvariante parat halten.
Besonders positiv empfinde ich das Handling des immerhin vollgetankt 249 kg wiegenden Muskelprotzes. Dank der Serienbereifung (Bridgestone BT-020) und des breiten Lenkers i.V. mit der gesamten Fahrwerksauslegung lässt sich die ZRX sehr leicht bewegen und ums Eck rumscheuchen. Kurvenkombinationen lassen sich genauso spielerisch meistern wie schnell gefahrene Kurven. Wenden ist Dank des kleinen Wendekreises ohne Probleme auf einer normal breiten Straße in einem Zug möglich. Die Schwerpunktfixierung lässt dabei kein zur Unsicherheit führendes Wackeln aufkommen. Die Kawa ist somit wirklich in jeder Lage handlich.

Dank des gut durchdachten Konzeptes ist Kawa mit der ZRX 1200 ein wirklich alltagstaugliches Bike gelungen. Die S-Version ist mit einer zusätzlichen Halbschale ausgestattet. Die hell leuchtenden Augen in Form von Multifunktionsscheinwerfern entstammen der schnellen ZX 12 R. Die Halbschale bietet ausreichenden Windschutz ohne lästige Verwirbelungen Staufachbis hin zur Topspeed. Bei Vmax muss man sich jedoch schon etwas verkrümeln. Ansonsten wird vor allem der Brustbereich druckfrei gehalten. Interessant wird die Kawa auch als Tourer sein. Die ausladende Sitzbank bietet zwei Personen genügend Platz, weite Strecken zurückzulegen. Unter der Sitzbank befindet sich ein wirklich riesiges Staufach, in dem Regenkombis oder das kleine Picknick durchaus ihren Platz finden. Das Werkzeug ist extra im Bürzel untergebracht.

Nun noch zwei Highlights:

- Die Bremsen der Kawa verdienen ein großes Lob. Fein dosierbar sind sie kräftemäßig über jeden Zweifel erhaben. Vorne drücken immerhin ein Dutzend Kolben in Richtung zwei rotierender Bremsscheiben. Das ist erste Sahne. Die neu verwendeten Bremsbeläge dienen dabei der Dosierbarkeit, da die alten bekannterweise für zu heftige Bremseinsätze sorgten.

- Die aufwändige Excenterverstellung der Kettenspannung hinten macht das Schrauben zur Minutensache - und wirkt dabei noch hochwertig. Ebenso gestaltet sich damit der Radausbau vergleichsweise einfach.

Fazit:
Mit der ZRX 1200 S ist Kawasaki ein Allroundbike gelungen, das sich bei Bedarf auch sehr sportlich bewegen lässt. Der Spritdurst dürfte etwas geringer ausfallen. Der Muskelkraft des Aggregats wurden mit ausgereiften Bremsen und einstellbarem Fahrwerk ausreichende Sicherheitsreserven hinzugefügt. Wer Kraft und Stabilität mit großem Einsatzsprektrum möchte, wird mit der Kawa gut bedient sein.