Honda Pan European ST 1300 ABS update



Fahrtest mit der aktualisierten Honda Pan European ST 1300 ABS
Stand: Juli 2004

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, Gitte Schöllhorn

Einige der Wheelies-Leser werden sich noch an den Bericht zurückerinnern, den ich über die 2002 komplett überarbeitete und nagelneue Pan European ST 1300 schrieb. Leider hatte ich die Maschine nur über das Wochenende zu einem Kurztest, sodass einige wichtige Bereiche nicht testbar waren. Vor allem ging es um die Fahrstabilität im Geschwindigkeitsbereich ab 200 km/h. Viele Eigner der 1300er Pan aus dem ersten Modelljahr klagten über starkes Pendeln. Ein Problem der Eigenfrequenz des Motorrades, wie sich herausstellen sollte.

Honda arbeitete eifrig nach und optimierte in einem ersten Nachbesserungsschritt die Schwingenaufnahme, die durch Probleme beim Gießen in sich unterschiedliche Wandstärken aufwies. Dadurch entwickelte die Maschine, die aufgrund ihres Fahrwerkskonzeptes von Haus aus pendelanfälliger reagiert, starke Schwingungen durch die Eigenfrequenz des Fahrzeuges, was sich in beunruhigendem Pendeln ausdrückte. Das Problem der Schwingenaufnahme wurde aufgehoben.
In einem zweiten Nachbesserungsschritt versuchte man, die Eigenschwingungen des Fahrzeuges durch eine geänderte Motoraufhängung und eine weiter optimierte Schwingenaufnahme zu unterbrechen.

Soviel zu den werksseitigen Änderungen. Der Alltagstest soll für mich Klarheit bringen, inwieweit das Konzept aufgeht.

In Offenbach hole ich "meine" Pan vom Presseparkplatz. Es herrscht klassisches Aprilwetter mit allen Kapriolen. Zum Glück finde ich eine trockene Fahrbahn vor, als ich in Richtung Aschaffenburg auf die Autobahn einbiege. Im dritten Gang ziehe ich das Gas auf, lasse die restlichen zwei Gänge fast wie von selbst einklicken und bleibe am Gas. Nach überraschend kurzer Zeit überwandert die Tachonadel die 240er Marke. Die Scheibe fuhr ich inzwischen per Knopfdruck in die höchste Position. Ich muss mich wegen des Soges dahinter gegen den Lenker abstützen. Das wirkt wie ein Rückenpolster, gegen das ich mich beruhigt anlehnen kann. Nur die Kopfablage fehlt noch … Hinter der Scheibe stören wenige leichte Verwirbelungen die Ruhe im Helm. Ich fliege und gleite gleichzeitig auf der linken Spur. Die Tachonadel pendelt zwischen 230 und 245. Und die Pan lässt mich die Szenerie genießen wie kaum ein anderes Motorrad bei diesem Tempo. Woww.

Dann geschieht es plötzlich. Ich werde aus meinem Genussgleiten herausgependelt. Eine lange Bodenwelle löst die berüchtigten Bewegungen aus. Zuerst nur leicht, dann aber immer stärker, bis ich vorsichtshalber nach einem kurzen Spiegelblick zwei, drei Mal stoßweise an die Bremse gehe. Es hilft. Die Pan gleitet wieder.
Ich ziehe wiederholt über die 230er Marke hoch. Zum Glück ist nicht viel los auf der Autobahn, sodass ich den Test ohne Bedenken fahren kann. Bei der nächsten größeren Bodenwelle beginnt das Prozedere von vorne. Pendeln, Stoßbremsen, Ruhe. Ich probier das Ganze mit unterschiedlichem Tempo aus, um herauszufinden, ab wann die Pan diese Unsitte zeigt. Die magische Grenze scheint bei 200 km/h zu liegen. Drunter kann ich keine Pendelneigung mehr feststellen, auch wenn ich sie zu provozieren versuche. Drüber taucht sie immer wieder mal auf. Aber längst nicht mehr so stark wie beim ersten Modell.

Das Problem scheint somit noch nicht endgültig gelöst zu sein. Dennoch sollte man mit einer Vorverurteilung vorsichtig sein, denn das Pendeln tritt meiner Erfahrung unter bestimmten begünstigenden Voraussetzungen auf:
  • Tempo höher als 200 km/h
  • Solofahrten mit leichtem Fahrer
  • Lange Bodenwellen
Sobald ich mit Sozia oder mit gefüllten Koffern unterwegs bin, gibt es kein Pendeln mehr.

Ich möchte nun davor warnen, die 1300er Pan European als schlechtes Motorrad abzustempeln. Wer das tut, weiß nicht, worüber er urteilt. Schließlich wird der Durchschnittsfahrer nicht immer alleine und über 200 km/h unterwegs sein. Ich traf Pan-Fahrer, die von dem Problem gar nichts wussten oder es noch nie selbst erfahren hatten, weil sie in diesen Temporegionen nie unterwegs waren.

Nach wie vor überzeugt die Pan European mit ihren komfortablen Tourerqualitäten wie bisher kaum ein anderes Motorrad auf diesem Planeten. Der fast verwirbelungsfreie und äußerst effektive Windschutz mit dem elektrisch verstellbaren Windschild lassen auch auftretendes Schmuddelwetter fast "draußen". Die aufrechte Sitzhaltung in Verbindung mit entspannenden Kniewinkeln lassen auch lange Strecken zum Genuss werden. Dabei kann es dem Fahrer egal sein, ob er auf der Autobahn oder auf der Landstraße unterwegs ist. Die Pan überzeugt auf fast jedem Terrain. Geländefahrten sollten mit ihr allerdings vermieden werden ;-)

Die ausgeklügelte Gewichtsverteilung dient der Handlichkeit. Im Stand ist das Gewicht ab und an spürbar. Rollt die Fuhre erst, lässt sie sich fast so leichtfüßig wie eine kleine 500er bewegen. Selbst auf den welligen kleinen Sträßchen im Jagsttal hinterlässt die Pan einen überzeugenden Eindruck. Die Flickschusterei nimmt keinen Einfluss auf eine vorgegebene Linie, der die Pan auch in zügig gefahrenen Kurven treu folgt. Das Fahrwerk zeigt sich dabei äußerst schluckfreudig und somit rückenschonend komfortabel.

Wer nun denkt, die Pan sei ein Altherrendahinschleicheinzimmerküchebad-Mopped, der muss sich eines Besseren belehren lassen. Logisch kann die Pan für diese geruhsamen Genussfahrten genutzt werden. Jeder Landschaftsgenießer wird mit ihr auf seine Kosten kommen. Wer 2002 auf der Tour nach Wheelies-Hirschling-Tour dabei war, wird sich vielleicht auch noch an die äußerst kurvenreichen Streckenabschnitte zwischen Altmühltal und Regensburg und schließlich dem Regental selbst erinnern. Dort konnte ich die Pan so richtig zum Kurvenwedeln hernehmen. Einige Sportfahrer waren überrascht, was mit der Pan so alles machbar war. Und das hat sich nicht geändert. Die Pan hat ausreichend Potenzial für fast jede Gangart. Auf der Landstraße gibt es keine Situation, in der ich mich mit ihr anderen Bikern gegenüber benachteiligt fühle.

Dazu trägt der überaus agile und drehmomentstarke V-4-Motor mit seinen 1300 ccm Hubraum bei. Mit kaum spürbaren Vibrationen drückt er die Pan mit einer satten Gewalt nach vorne. Welches 326 kg schwere Motorrad kann schon fast leichtfüßig einen Spurt von 0 - 100 km/h in 3.0 Sek. hinlegen? Man bedenke, dass eine ZX 10 mit 175 PS und einem ca. 120 kg geringeren Kampfgewicht diesen Spurt in 3.1 Sek hinlegt. Die neue BMW K 1200 S wurde auch mit 3.0 Sek getestet. Der Zahlenvergleich lässt ahnen, wie sich die Pan auf Touren in Szene setzen kann. Die Kraft ist leicht beherrschbar. Lastwechsel sind kaum zu spüren. Der Kardan verspricht wartungsfreien Vortrieb ohne Aufstellmomente beim Gasgeben.

Die Instrumentierung lässt keine Wünsche offen. Es empfiehlt sich aufgrund der Anzahl der möglichen Anzeigen das Fahrerhandbuch zu lesen. Die Anzeigen sind großzügig proportioniert und somit gut ablesbar. Jedoch stören bei starkem Sonnenlicht die Reflexionen im LCD-Bereich rechts.

Die Bremsen neigen bei flotter Hatz zum Überhitzen und leichtem Fading. Im Alltagsbetrieb überzeugen sie mit feinster Dosierbarkeit und satter Verzögerung. Allerdings muss dafür relativ viel Handkraft aufgewendet werden.
Selbstverständlich verfügt die Pan über das Dual-CBS-Bremssystem, das bei Betätigung des Handhebels auch das Hinterrad mitbremst. Allerdings bremst bei der Betätigung des Fußhebels das Vorderrad mit, was ich noch immer als gewöhnungsbedürftig empfinde. Das ABS gehört zu den besten Motorrad-ABS überhaupt, wie ich finde. Regelintervalle sind kaum spürbar, was mir im Vergleich zum BMW-ABS ein wesentlich sichereres Gefühl vermittelt.

Die Pan atmet ihre Abgase zeitgemäß durch geregelte Kats in die Umwelt. Die beiden abnehmbaren serienmäßigen 35-Liter-Koffer lassen dem Tourer viel Platz für Reiseutensilien. Der mächtige Gepäckträger nimmt optional ein Topcase oder sonstiges Gepäck auf.

Und Platz findet man auf der Pan in Hülle und Fülle. Der Fahrersitz kann zudem 3-fach in der Höhe verstellt werden. Tourerherz, was willst du mehr.

Fazit:
Die Honda Pan European überzeugt auch weiterhin als komfortabler Tausendsassa. Wer gerne lange Reisen unternimmt und dabei gerne auch mal einen engen Pass unter die Räder nehmen möchte, ist mit der Pan gut bedient. Mit 29 Liter Sprit im Tank und einem Verbrauch um die 7 Liter können schon mal gut 400 km in einer Etappe gefahren werden. Und man wird den Tankstopp - anders als auf manch anderem Mopped - schon fast als Störung empfinden.

Guter Wetterschutz, ultraleichtes Handling, hervorragende Sitzergonomie und ein bäriger Motor gekoppelt mit einer guten Verarbeitungsqualität bieten für die gut 16.000 Euro einen adäquaten Gegenwert. Schade nur, dass das Pendelproblem nicht komplett von Honda gelöst werden konnte.