Honda CBR 1000 RR Modell 2006



Fahrbericht Honda CBR 1000 RR Modell 2006
Stand: August 2006

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, Gitte Schöllhorn


Zwei Jahre ist es her, dass Honda die Fireblade als satte Literschüssel vorstellte. Einen Liter, d.h., exakt 998 ccm bringt sie an Hubraum mit. Ähnlich wie ihre Mitbewerber. Die Konkurrenz ist hart, Testwerte liegen nah beieinander, sodass sich bei Honda die Entwicklungsingenieure wieder einiges einfallen ließen, um die schon sehr gute Fireblade noch konkurrenzfähiger zu machen.

Ich bekomme meine Testmaschine dankenswerterweise von Günter Strauß von der Firma bike4all (www.bike4all.net) in Weißenburg übergeben, wo nebst der Testmaschine die gesamte Modellpalette von Honda besichtigt und z.T. Probe gefahren werden kann.

Die Unterschiede zur 2004er RR fallen langsam auf. Man braucht ein geübtes Auge, um die Modifikationen zu entdecken. Es ist immer noch die zierliche Erscheinung, die an eine Maschine der 600er Klasse erinnert. Die Form wurde insgesamt etwas kantiger, die Front spitzer mit geänderten Scheinwerfern. Der Motor befindet sich nicht mehr in einer Komplettumhüllung und präsentiert sich mehr dem Betrachter. Der wieder unter dem Sitz montierte Endschalldämpfer wirkt im Edelstahl-Titan-Mix edler als beim Vorgänger. Die gesamte Auspuffanlage bringt jetzt 1,6 Kilogramm weniger Gewicht auf die Waage.

Die Bremsscheiben wuchsen im Durchmesser von 300 auf 320 mm an, verloren jedoch 300 Gramm an Gewicht durch eine reduzierte Dicke von 5 auf 4,5 mm. Aufgrund des beim Vorgängermodell auftretenden Gabelflatterns bei harten Bremsmanövern kommen in der aktuellen Variante weniger aggressive Bremsbeläge zum Einsatz.

Der Motor erhielt die meisten Änderungen. Modifizierte Kanäle, Ventile und Ventilfedern sorgen für eine optimierte Brennraumbefüllung. Die maximale Drehzahl konnte so von 11650 U/min auf 12200 U/min gehoben werden. Spontaneres Ansprechverhalten soll ein geändertes Steuergerät für Zündung und Einspritzung bringen. Die Nockenwelle wurde im Gewicht reduziert.

Insgesamt brachten die Optimierungen (auch an Kühler und Motordeckeln) ein um sechs Kilogramm erleichtertes Motorrad an den Tag. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie ein bereits richtig gutes Motorrad immer noch verbessert werden kann. So reduzierten die Honda-Macher den Nachlauf noch von 102 auf 100 mm für ein besseres Handling. Ebenso bescherte man der RR eine weniger progressive Umlenkhebelei und eine reduzierte Federrate. Die Gabel erhielt härtere Federn und eine komplett neu abgestimmte Dämpfung.

Das ist die Theorie. Auf der Landstraße darf die Honda CBR 1000 RR nun zeigen, was sie im sportlichen Alltagsbetrieb kann.

Ich nehme auf ihr Platz. Die Sitzposition macht die Sportlichkeit dieses Motorrades deutlich. Klare Vorderradorientierung, hoher Hintern, hohe Fußrasten, spitze Knie. Ich komme, als ich die Honda hole, gerade vom Test mit der aktuellen Yamaha R6, die stark auf Rennstreckenbetrieb ausgerichtet ist. Im Vergleich dazu wirkt die Sitzposition auf der Honda um einiges aggressiver. Meinen Waschbärbauch platziere ich hinter dem 18 Liter fassenden Spritfass, das für optimalen Betrieb ausschließlich mit Super bleifrei gefüllt werden muss.

Das Aggregat läuft nach dem Starten samtweich und gleichmäßig mit leicht erhöhter Drehzahl. Die Kaltstartphase wird komplett vom Motormanagement übernommen.

Und los geht's. Über bekannte Strecken lasse ich die Honda zu mir heimfliegen. Anders kann ich die Heimfahrt nicht beschreiben. Die kürzere Sekundärübersetzung kommt der neuen Fireblade gerade beim Durchzug aus niederen Drehzahlen entgegen. Sie wirkt dadurch im Vergleich zur Vorgängerin bis 5000 U/min wesentlich agiler. Überholen im sechsten Gang vollzieht sich nun wesentlich zügiger. Sie zeigt, dass sie Leistung hat. Sie zeigt an, dass sie nach Drehzahl giert. Sie zeigt, dass sie vehementen Schub abgeben kann. Sie zeigt, dass ich dabei ohne böse Überraschungen immer der Chef im Duett bleibe.
Will sagen, dass ich jederzeit die Leistung von angegebenen 172 PS und das Drehmoment von angegebenen 115 NM im Griff habe und nicht von plötzlich einsetzenden Leistungsexplosionen überrascht werde. Fast schon langweilig. Fast. Denn das, was die Riesenherde an Pferden ans Hinterrad sendet, hat in der Auswirkung gar nichts mehr mit Langeweile zu tun. Sie schiebt linear ohne spürbarem Durchhänger nach vorne. Kurven fliegen plötzlich wieder schneller als gewohnt heran. Wachheit ist gefragt. Und eine kontrollierte rechte Hand. Konnte ich vorhin auf der R6 das Gas noch relativ unbekümmert aufziehen, muss ich das auf der 1000er RR vorsichtig tun. Sofort ist das Vorderrad in der Luft. Sofort rast der Tacho auf 200 und darüber. Sofort bin ich froh, dass der montierte Pirelli Diablo corsa mit sauberem Grip die Maschine in gewagteren Schräglagen auf Kurs hält.

Die Modifikationen haben ihre Auswirkung vor allem in der Spritzigkeit des Motors. Leistung hatte die Vorgängerin ja auch schon. Ohne Zweifel. Aber ich musste sie mehr dazu auffordern, sie mehr bemühen. Die neue CBR 1000 RR geht williger und spritziger ans Werk mit dem Ergebnis, dass sich bei mir sehr schnell ein sicheres Gefühl der Souveränität einstellt. Alles unter Kontrolle, und wenn ich will, dann geht die Post ab.

BMW nannte es vor 10 Jahren aktive Sicherheit und meinte das Durchzugsvermögen des Fahrzeuges, das es einem ermöglicht, gefährlichen Situationen einfach mit einem Gasstoß zu entfliehen. Auf die Honda übertragen würde das bedeuten, dass sie ein Höchstmaß an aktiver Sicherheit besitzt. Reine Wortspiele, die nichts anderes besagen sollen, dass sie für den Alltagsgebrauch mehr als ausreichend motorisiert ist.

Satt kann ich die Honda in jede gewünschte Schräglage bringen. Sie wirkt etwas handlicher als die alte 1000 RR. Vor allem schnell mit Zug gefahrene Kurvenkombinationen erfordern weniger Nachdruck. Die Richtungswechsel nimmt sie direkt und willig an und bleibt bei hohem Tempo richtungsstabil. Doch darüber viele Worte zu verlieren wäre überflüssig, da mittlerweile bei Motorrädern dieses Schlages das Thema "Stabilität" abgehakt werden kann. Sie sind einfach stabil. So auch die Honda.


Auch wenn für das Fahrwerk leichte Werkstoffe verwendet werden, kann dieses Motorrad nichts aus der Ruhe bringen. Es wirkt sauber ausbalanciert. Hartes Angasen aus Schräglagen heraus, satte Bremsungen mit leichtem Hinterrad, selbst Vorderradlupfer beim Beschleunigen lösen auf der Honda dank dem elektronischen Lenkungsdämpfer keine Adrenalinstöße aus.
Es ist die Summe der vielen Situationen, die ich auf anderen Motorrädern mit derben Überraschungen schon adrenalinschwanger erlebte, die die Honda mit direkter Ruhe und immer klarer Rückmeldung meistert, sodass ich mich nach kurzer Zeit an meine eigenen Grenzen wage.
Dabei ist klar, dass meine Grenzen auf der Landstraße weit weg sind von den Grenzen, die die Fireblade mitbringt. Deren Grenzen sind sicher erst auf der Rennstrecke zu ertasten.

Beste Voraussetzungen, um mich am nächsten Tag nach schweißtreibendem Fotoshooting etwas auszutoben. Wie immer sind es kleine Landstraßen, die nach diesem Winter mit Bitumen und sonstigen Scheußlichkeiten verunstaltet wurden. Vor allem im Gebiet um Dillingen/Donau haben sich einige mit Bitumenschmierereien derart ausgetobt, dass man sich als steuerzahlender Motorradfahrer fragt, ob und warum man nicht auch das Recht hat, Straßen so geflickt zu bekommen, dass man sich darauf mit dem Bike gefahrlos bewegen kann. Glücklicherweise wird dieser hochgefährliche Unsinn nicht in jedem Landkreis so exzessiv betrieben.

Ich bewege die Fireblade wieder ins Fränkische Richtung Weißenburg. Da ist alles an Streckenarten vorhanden. Trotz ihrer supersportlichen Auslegung kann ich sie wunderbar einfach über alles asphaltierte fliegen lassen. Sie beherrscht alle Gangarten. Allerdings merke ich nach einigen harten Gas-Brems-Manövern, wie arg die Handgelenke das meiste abfedern müssen, da meine Geschwindigkeiten logischerweise nicht so hoch sind, dass ein Luftpolster die Gelenke ausreichend entlasten könnte.

Angenehm empfinde ich die Fahrwerksauslegung. Ein gelungener Kompromiss zwischen alltagstauglichem Komfort und Sportlichkeit. Für letzteren Einsatzzweck sind am voll einstellbaren Fahrwerk umfangreiche Setups möglich. Da wird jeder die für sich passende Einstellung finden.
Auf meiner Überlandfahrt fühle ich mich nicht gemartert, sondern entspannt. Feine Stöße schluckt die Blade und schickt sie ins Nirvana. Gröbere dämpft sie ausreichend ab, sodass in der Gesamtheit auch einer weiteren Tour nichts im Wege steht.
Leider wird man auf Touren eher alleine auf der Honda sitzen. Die Ergonomie für den Soziusplatz fiel sportlertyisch bescheiden aus und erfordert grenzwertige Leidensfähigkeit, die sicher nur durch frische Verliebtheit oder sonstige das natürliche Empfinden ausschaltende libidinöse Motivationen steigerbar ist.

Fazit:
Ich kann es immer wieder schreiben, nachdem es nun die vierte Fireblade-Generation ist, die ich gefahren habe. Eine Fireblade bleibt eine Fireblade. Seit der letzten Version wurde sie wesentlich sportlicher in der Ausrichtung. Die aktuelle Version hat von ihrer Alltagstauglichkeit und Gutmütigkeit nichts verloren. Die Modifikationen vor allem an Motor und Übersetzung führten zu spürbaren Verbesserungen in der Spritzigkeit und beim Durchzug. Und sie wurde handlicher.
Gerne hätte ich sie auch auf der Rennstrecke probiert, denn dort schlägt sicher ihre Stunde. Zur Konkurrenz hat sie aufgeholt. Sie ist schnell, stabil, agil - und das alles mit passender Fahrerergonomie. Ein gelungener Kompromiss zwischen Alltag und Sport in bestechend guter Verarbeitungsqualität und die EURO3-Norm erfüllendem Abgasmanagement.