Honda CBR 1000 RR 2004



Fahrbericht zur neuen Honda CBR 1000 RR
Stand: Juni 2004

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, Gitte Schöllhorn


Für das Jahr 2004 wurde den Anhängern von hyperstarken Supersportlern eine reiche Auswahl an Neuerscheinungen spendiert. Neben Yamaha und Kawasaki schickte auch Honda eine Nachfolgerin der Honda Fireblade ins Rennen um die Käufergunst. Das richtete sich natürlich sofort auf ein kleines Ausstattungsdetail, dessen Fehlen den Vorgängerinnen regelmäßig Abzüge bei Testbewertungen und Käufermeinungen einbrachte: den Lenkungsdämpfer.

Und Honda hat (endlich) seine Hausaufgaben gemacht und der aktuellen Fireblade eine Neuentwicklung mit geschwindigkeitsabhängiger Dämpfung verbaut. Das Thema "Kick back" ist somit fast vom Tisch. Dazu später mehr.

Meine Testmaschine bekam ich dankenswerterweise von der Firma Honda Stempfle in Wertingen/Roggden zur Verfügung gestellt, wo ich mir weitere Farbvarianten in Rot und Schwarz ansehen konnte. Die CBR 1000 RR steht dort so wie die gesamte Modellpalette von Honda (Motorräder, Roller, Quads) zur Besichtigung bzw. Probefahrt bereit.

Ich stehe vor der Maschine und habe den Eindruck, eine 600er vor mir zu haben. Sie wirkt zierlich und grazil mit ausladenden Hüften und schmaler Taille. Die Sitzposition wird sportlicher sein als die der bisherigen Feuerklingen, die schon fast eine Eignung zum Tourensport mitbrachten. Die neue CBR 1000 RR ist kompromissloser auf Sport getrimmt. Die Lenkerstummel wanderten 4 cm nach unten, die Sitzhöhe wuchs um 3 cm, die Rasten wanderten nach hinten und oben. Das Ergebnis überrascht mich dennoch, da ich mich darauf einstellte, diese Maschine nur stundenweise zu fahren, um mich dann wieder in Pausen zu entfalten. Ist aber gar nicht so wild. Beim Aufsitzen fällt mir der angenehme und maßgeschneiderte Knieschluss auf. Die Kniewinkel bleiben jenseits der Schmerzgrenze und erlauben längere Ausritte.

Ich starte den Motor und bekomme von einem grinsenden Mitarbeiter "Viel Spaß" mit auf den Weg. Dieses Grinsen kenne ich. Es ist dieses wissende Grinsen nach eindeutiger Positiverfahrung.
Auf der Straße gewöhne ich mich schnell an die weit nach vorne gebeugte Sitzposition. Mir fällt nach einigen Kilometern auf, dass ich bei langsamen Wende- und Einbiegemanövern vom neuen HESD (Honda Electric Steering Damper) überhaupt keine Notiz genommen habe. Er arbeitet unauffällig, aber wirksam, wie sich schon beim ersten richtigen Beschleunigen herausstellt. Wo die alte Blade im dritten und vierten Gang auf Bodenwellen bei geöffnetem Gashahn im oberen Drehzahlbereich mit zunehmend leichtem Vorderrad plötzlich mit dem Lenker von einem Anschlag bis zum anderen schlug, bleibt die neue dank HESK ruhig. Leichtes Zucken ist im Lenker zu verspüren, das jedoch vernachlässigbar bleibt und den Adrenalindrüsen keine Mehrarbeit abverlangt.

Das soll nicht heißen, dass die neue CBR keine Adrenalinkicks auslösen kann. Wird der Motor gefordert und darf er seine Leistung abgeben, rührt sich bei voll galoppierenden 172 PS eine ganze Menge und man ist gut beraten, gerade auf der Landstraße den Tacho nicht aus den Augen zu verlieren, denn nur er zeigt einem CBR-1000-RR-Neuling die krasse Realität in Form großer digitaler Zahlen. Auf sein intuitives Fahrgefühl sollte man sich nicht mehr verlassen. Durch die Stabilität der CBR wirken 100 km/h manchmal so wie wenn ich meinem Passat Kombi durch eine 30 km/h-Zone in einer Siedlung rollen lasse. Ein ständiges Unterforderungsgefühl macht sich breit und verleitet, mal so richtig am Hahn zu drehen und die elektronische Saugrohreinspritzung zum Arbeiten zu zwingen.

Die 172 PS lassen sich vorbildlich dosieren. Lediglich die harten Lastwechselschläge nerven ab und zu, wenn ich im Verkehr mitschwimme. Dann spüre ich auch schnell die Last auf meinen Handgelenken. Ich entscheide mich dafür, Abhilfe zu schaffen und die Kolonne hinter mir zu lassen. Ohne Hektik. Einfach im 6. Gang leicht an der Rolle ziehen. Der Vorschub ist beeindruckend und nimmt ab 5000 Umin vehement zu. Bei gut 8000 Umin brennt die CBR dann das viel zitierte Feuerwerk ab und dreht wunderbar nach oben bis über 11000 Umin aus. Das macht einen Riesenspaß und leitet mich auf meine kurvenreichen Teststrecken mit gutem Teerbelag, wo mich die CBR mit ihrer äußert gut dosierbaren Leistung überrascht.
Das schafft zügig Vertrauen. Ich kann mich darauf verlassen, dass die Maschine mich in satten Schräglagen beim Herausbeschleunigen aus schnellen Kurven nicht mit plötzlicher und unerwartet heftiger Leistung in die Knie zwingt. Und ich verstehe das Grinsen des Mitarbeiters umso mehr. Es macht mir einen Heidenspaß, mit dieser Maschine durch meine Kurvenstrecken zu schwingen. Nichts bringt diese Maschine aus der Ruhe. Leistung ist immer vorhanden und scheint wirklich nie auszugehen, zumindest auf der Landstraße. Weitere Nachmittagsstrecken können so vollkommen entspannt genommen werden. Der laufruhige Motor trägt sein Übriges dazu bei.

Auf welligen Streckenabschnitten zeigt sich die straffe Sportabstimmung des Fahrwerkes, das jedoch nicht hart wirkt. Es ist mit genügend Einstellmöglichkeiten versehen, so dass von sanft bis sportlich hart alles eingestellt werden kann. Mir passt die Werkseinstellung. Für die heftigere Hatz gebe ich dem wie bei der 600RR in der Schwinge angelenkten Federbein zwei Klicks mehr Druckstufe. Das passt nun wunderbar. Die Blade liegt ruhig und wirkt unerschütterlich, selbst auf absolut grausam zerflickten Teerbelägen, bei denen ich mir die Frage stelle, wer eigentlich für die Ausführung und Kontrolle dieser straßenbautechnischen Scheußlichkeiten zuständig ist. Eigentlich sollten diese Personen als Steuerverschwender für ihre Untaten in Regress genommen werden, so dass diese Streckenstücke professionell repariert werden können.

Zum Glück gibt es Maschinen wie die neue CBR 1000 RR, die sich von den Folgen dieser laienhaften Flickschustereien nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Das Konzept wirkt passend. Auch wenn sie im Vergleich zur Vorgängerin um zwölf Kilo aufspeckte, wirkt sie agil und recht leicht im Handling. Das Einlenken erfordert vor allem beim Angasen eine gute Portion Nachdruck. Ist die Richtung dann eingeschlagen, würde die Blade diese wahrscheinlich bis zur absoluten Tankebbe einhalten. Sie ist richtungsstabil und überzeugt auch weit über 200 km/h mit stoischem Gerade-
auslauf. Sicher ein Verdienst der Entwicklungsabteilung, die die Massen soweit möglich um den Schwerpunkt platzierte.

Die Bremsen lassen keinen Zweifel an ihrer Wirksamkeit aufkommen. Radial verschraubte Bremssättel mit Einzelbelägen und eine Radialpumpe sind mittlerweile in dieser Klasse Standard geworden. Honda kreierte eine klassische Zwei-Finger-Bremse mit eindeutigem Druckpunkt, präziser Dosierbarkeit und fulminanter Wirkung. Auch im heißen Zustand ist kaum ein Wirksamkeitsverlust zu spüren.
Eine leichtgängige hydraulische Kupplung und die präzise zu schaltende Getriebeeinheit unterstützen die Bediener-
freundlichkeit. Ebenso ein überraschend großer Lenkein-
schlag, der Wendemanöver auf einer Landstraße oder das Rangieren absolut erleichtert.

Ich bewege mich durch das Gewirr meiner Hausstrecken und lasse die CBR ab und zu richtig fliegen. Wir haben uns schnell angefreundet und gehen an der Tanke einen trinken. Ich nehme nach gut 100 km einen kräftigen Schluck aus meiner Wasserflasche, die CBR gut 8,5 Liter Super bleifrei aus der Pistole. Viel, wie ich finde. Aber immerhin nährt sie so 172 arbeitende Pferde. Dennoch, andere in der Klasse tun das auch und gehen mit dem apothekenteuren Brennstoff sparsamer um.

Wieder wandert mein Blick über die CBR. Mir gefällt die Verarbeitungsqualität, die sich auf sehr hohem Niveau bewegt. Schließlich sind über 13000.- Euro zu bezahlen, wenn man diese Maschine zu seinem Eigen machen möchte. Viel Geld, aber auch viel Gegenwert bei zu erwartendem niedrigen Wertverlust.

Fazit:
Eine Fireblade bleibt nicht immer eine Fireblade. Sie wurde kompromissloser und schielt nun mehr in die Sportecke der Klasse. Eine perfekte Fahrmaschine mit genug Leistung und riesigen Reserven in Fahrwerk und Bremsen. Der Lenkungsdämpfer hinterlässt ungebremsten Spaß für Drehzahlorgien mit leichtem Vorderrad. So vereint die neue CBR 1000 RR Leistung, Schnelligkeit, Handlichkeit und Stabilität. Beste Voraussetzungen für breites Grinsen und Spaß pur.