BMW K 1200 RS - On the road again and again and again



Fahrbericht BMW K 1200 RS
(Stand: Sept.1999)

Text: Ralf Kistner
Fotos: Ralf Kistner, M. Bauer

Der Wetterbericht meldete unklares Wetter: heiter bis wolkig, örtlich Regenschauer, in den Alpen Fön. In München übernahm ich im Werk 1 bei BMW die K1200RS. Die Oktobersonne versteckte sich noch hinter einigen grauen Wolken. Meine Lebensgefährtin und ich beschlossen spontan, den Tag zu nutzen und die Maschine am Kesselberg “kennenzulernen”. Auf der Autobahn Richtung Garmisch wurde mir schnell deutlich, daß die 130 Pferde willig - und bei Bedarf gesammelt - antraten, um die gut 300 kg Maschinenmaterial (incl. Koffer) + die aufgesessenen Körperkilos klar und zügig über die 200 km/h-Schwelle zu beschleunigen.Von meiner K100RS bin ich in diesem Geschwindigkeitsbereich gewohnt, daß die Maschine fahrwerksseitig durchaus Eigenleben zeigt. Die K1200 machte keinen Mucker. Lange Autobahnbiegungen nahm sie zielsicher. Bodenwellen brachten keine Unruhe ins Fahrwerk. Sie lag einfach satt und vermittelte mir/uns ein absolut sicheres Gefühl in allen Geschwindigkeitsbereichen.

Komfort ließ die Maschine dabei jedoch nicht vermissen. Rückenschonend fraß sie einen Großteil der Hügellandschaft des Teerbelages in sich hinein und meldete größere Unebenheiten nur gedämpft weiter.

Ich muß nun klärend einwerfen, daß ich bisher noch nicht in den Genuß kam, Hayabusa bzw. Doppel X zu fahren. Ich weiß nicht, wie diese Maschinen, die ja eindeutig in die gleiche Sparte wie die K1200RS gehören, diese Übung meistern. Ich weiß nur, daß mit aufgestellter Windschutzscheibe und etwas eingezogenem Genick selbst bei Tempo 245 der Großteil des Hurricanes an mir und meiner Sozia vorbeibrauste. Dem Unterdruck hinter der Scheibe wurde durch 2 Lufteinlässe entgegengewirkt.
Das ermöglicht zügige Reisegeschwindigkeiten ohne steifem Genick am Ende der Autobahn.

Die Maschine zog zielsicher die von mir gewollte Linie. Der kaum vorhandene Winddruck erwies sich als trügerisch im Geschwindigkeitsempfinden. Der Tacho mußte immer im Auge behalten werden. Ähnlich wie in großen Limusinen kamen uns 200 km/h wie schlappe 140 vor. Bewußtes Beobachten vorbeihuschender LKWs brachte schließlich die Erkenntnis, daß der Tacho wirklich realistische Werte lieferte.

Nach der Autobahnetappe in Kochel am See angekommen hatte ich das Gefühl, daß mir die Beine zu abgeknickt waren. Ein Stopp am See sollte genutzt werden, um die Sitzposition auf meine Körpergröße anzupassen. Unter der Sitzbank fand ich das für BMW typisch hochwertige und umfangreiche Werkzeug. Die Bedienungsanleitung machte gut verständlich klar, mit welchen Handgriffen die Lenkerstummel, die Sitzbankhöhe, die Fußrastenhöhe, die Schalthebelstellung und schließlich die verstellbaren Hebeleien angepaßt werden können. Das Showafederbein konnte etwas umständlich mit einem Hakenschlüssel + Verlängerung in der Federvorspannung in mehreren Stufen verstellt werden. In dieser Preisklasse hätte ich mir eine nicht so umständliche hydraulische Handradverstellung wie bei den F oder GS-Schwestern gewünscht.

Ok, die Maschine war nun fertig für den Kesselbergeinsatz. Wunderbar, wie leicht dieses Schwergewicht von Motorrad mit Sozia durch das Kurvengewirr gewedelt werden konnte.
Am Aussichtsparkplatz genoß nun meine Sozia mit den zurückgelassenen Koffern die fönige Fernsicht, und in unregelmäßigen Abständen die immer schrägeren und funkensprühenden Vorbeifahrten mehrerer Ninja- und R1-Fahrer, zu denen ich mich mit meinem sportlichen Dickschiff gesellte. Die Gänge 1 und 2 reichten für die Kurvenhatz vollkommen aus, erreicht die K1200 im 1. doch gleich die 100er Marke.
In Schräglagen bis zum Fußrastenkontakt vermittelte mir die Maschine das Gefühl von Sicherheit, die aufgezogenen Bridgestones das Gefühl von Haftung ohne Ende. Schön, dieses Schwergewicht mit so wenig Kraftaufwand so leicht bewegen zu können.
Überzeugend fand ich auch die Bremsen. Vorne mit 4 Kolben, hinten mit 2 Drückern bestückt, packten die Brembos mit klarem Druckpunkt satt und bissig an. Ein Plus am nicht nur am Kesselberg ist sicher das ABS, das mir das hintere Rad bei heftigem Anbremsen am Drehen hielt. Da gab es für mich absolut nichts auszusetzen. Ungewöhnlich die Wirkung des Telelevers vorne, da die Maschine bekannterweise fast nicht eintaucht. Da muß man sich dran gewöhnen. Ebenso an die Tatsache, daß gerade beim Bremsen kaum Rückmeldung seitens des Vorderrades kommt.
Durchaus angenehme Seiten des Fahrwerkes zeigten sich im meist komfortablem Schlucken von Bodenwellen. Ruppig jedoch das Ansprechen auf Querkanten. Ich hatte anfangs das Gefühl, daß ein Teil des Vorderbaus Spiel hatte.

Und der Motor, der schon ab Standgas trainierte Muskeln zeigte, ab 3000/min dann saftig Biß hatte, so daß die kurzen Geraden zwischen den Kehren zu Beschleunigungsorgien verleiteten. Bis an den roten Bereich drehte das Aggregat willig und ohne merklichem Leistungsloch hoch, auch wenn sich ab 7000/min etwas Müdigkeit einstellte. Sportliche Ambitionen können somit ebenso ausgelebt werden.
Im Landstraßenbetrieb reichte die Kraft, um den 6. Gang als Dauerfahrstufe zu deklarieren. Überholen wurde mit einem kurzen Dreh am Gas erledigt. Dennoch machte auch das Schalten mit dem 6Gang-Getriebe Spaß. Die Schaltwege sind kurz und präzise. Stellenweises Einlegen vom Zwischenleerlauf konnte trotzdem nicht ganz vermieden werden.

In den darauffolgenden 2 Wochen mußte sich die K1200RS im Alltag beweisen.
Fazit: sie kann locker als Allroundtalent durchgehen. Komfortable Toureneigenschaften ermöglichen genußvoll souveränes Zurücklegen langer Strecken. Selbst vor Fahrten in der Dunkelheit muß man sich nicht scheuen, denn die K ist mit hervoragenden Scheinwerfern ausgestattet, die die Fahrbahn weit und breit hell und homogen ausleuchten. Dunkle Flecken in Schräglagen sind selten. Die Instrumente sind tags und nachts gut lesbar.
Jedoch könnte die Entspiegelung besser funktionieren.
Die Sitzbank vermittelt das Gefühl, man sitzt mehr drin als drauf. Wunderbar!

Kritikpunkte waren für mich vor allem der zu kleine Tank mit 21 Litern, der mich bei einem Durchschnittsverbrauch von 7,3 Litern für meine Begriffe zu oft zu meinem Tankwart führte. Weniger die ungenaue Tankuhr als mehr der Tageskilometerzähler diente mir hier als Orientierungshilfe.

Das Koffervolumen empfand ich als zu gering. Nur mit Mühe konnte ich meinen Schuberthklapphelm im rechten Koffer verstauen. Für den Helm der Sozia war dann kein Platz mehr.
Der große Wendekreis trug auch nicht zum positiven Bild bei.

Störend empfand ich, daß die Maschine solo mit Koffern ab ca. 170 km/h deutliches Pendeln zeigte und unruhig wirkte. Mit Sozia gab es den Makel nicht.
Im Handbuch schreibt BMW im Fahrbetrieb mit Koffersystem eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h vor. Für mein Empfinden unrealistisch, da ich mir als potentieller Kunde dieses Bike kaufe, um zügig voranzukommen auf längeren Touren, was ob der guten Touren- und Handlingeingenschaften für höhere Reisegeschwindigkeiten spricht und meiner Meinung nach nicht zum Gesamtkonzept der Maschine paßt.

Mit Sozia zeigten sich Einschränkungen in der Schräglagenfreiheit, da die Koffer ab und an Teerkontakt hatten.
Es scheint, daß speziell das Koffersystem an dieser Maschine verbesserungsbedürftig ist.

Die Maschine selbst hat sich im Segment der Sporttourer seit ihrem Erscheineneinen festen Platz erwirkt. Hohe Zuverlässigkeit mit einem kräftig antretenden Motor hoher Kilometerleistung, leichtes Handling und saubere Verarbeitung, serienmäßig geregelte Abgasreinigung sowie die umfangreiche Ausstattung machen die K 1200 RS zu einem interessanten, wenn auch nicht für jeden erschwinglichen Motorrad.